Vorträge und Performances
#Commonings: Tag 2
Auf Englisch
Wie könnte das Modell einer Schule aussehen, bei der sowohl das Lernen als auch das Verlernen miteinander verwoben werden? Wie kann ein solcher Raum Fürsorge, Zuflucht, Bezugnahme und Verwundbarkeit bieten? Lassen sich Rollen und Verantwortlichkeiten zur Disposition stellen?
Wie können die (Ver)lernenden gewohnte Privilegien und Machtpositionen, Autor*innenschaft, Produktivität und Konkurrenz hinterfragen? Mehr Infos zu #Commonings
14–15h
Einführung in den Gemeinschaftsraum in der Großen Runde, Hirschfeld Bar
Mit Ahmad Borham, Simon Fleury, Maternal Fantasies, Laura Fiorio, Fabian Hesse, Mitra Wakil, Wangũi wa Kamonji, Nikolay Oleynikov, diffrakt, Chara Stergiou, Constantina Theodorou, Giorgos Papadatos und Alessandra Pomarico
Der Gemeinschaftsraum ist ein Ort, in dem andere „einen Raum für sich“ finden
(Virginia Woolf)
Der Gemeinschaftsraum ist eine Aufforderung, Commoning als Ort des empirischen Verlernens zu erleben. Traditionell als ein Raum zwischen dem formalen institutionellen Leben und seinen Sozialitäten konzipiert, fungiert der Gemeinschaftsraum als ein Raum der diversen Praktiken, die nebeneinander existieren, während sie ihre unterschiedlichen, doch sich überschneidenden Rhythmen beibehalten. Der Raum steht zugleich für das Experiment des Arbeitens in Differenz und Unvollkommenheit. Der Wunsch, einen gemeinsamen Raum zu schaffen, der singuläre Wahrnehmungen des Studiums in Frage stellt und gleichzeitig auf der Notwendigkeit empirischer und inklusiver Formate der Zusammenarbeit besteht, entstand bei einer spontanen Begegnung zwischen den Mitwirkenden dieser Commonings-Ausgabe auf einer Miro-Tafel. Während dieser letzten Ausgabe der New Alphabet School wird sich der C Gemeinschaftsraum als Raum für Begegnung, kollektive Reflexion, lockere Formen des Studiums, Rituale und Altäre, das Erstellen von textilen Karten, das Erzählen von Geschichten, das Aufführen von Partituren sowie Sampling und Remixing entfalten. Eine Reihe von Rhythmen wird kollektive Autor*innenschaft(en) herausfordern und verarbeiten, um eine zentrale Frage zu beantworten: Welches sind die gemeinsamen Gesten, die es zu erfinden gilt und was muss im Gemeinschaftsraum wieder verlernt werden?
15–16.30h
Workshop in der Großen Runde, Hirschfeld Bar
Play and Care: Gemeinsame Rituale
Mit Maternal Fantasies und allen anwesenden Kindern
Auf Englisch und Deutsch
Vom Schreiben autobiografischer Antworten bis zur Entwicklung von Performances aus Kinderspielen: Maternal Fantasies verknüpfen Theorie und Praxis zu einem kritischen und umfassenden Rahmenwerk für die Auseinandersetzung mit Mutterschaft(en), Sorgearbeit, und künstlerischer Repräsentation. Für Commonings teilen Maternal Fantasies Methoden der Vergemeinschaftung basierend auf ihrer seit 2018 kollektiven Arbeitserfahrung als Mutter-Künstler*innen und Kinder.
Wie setzt man als eine Gruppe von fast 20 Erwachsenen und Kindern Künstler*innen-Residenzen, Performances und Ausstellungen um? Wie binden Künstler*innen Kinder in künstlerische Schaffensprozesse ein? Wie lassen sich Sorgearbeit, künstlerische Berufe und die Ansprüche und Herausforderungen kollektiver Arbeit zeitlich vereinbaren?
Für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen und für ein Experimentieren mit kollektiver Autor*innenschaft sind die Teilnehmenden eingeladen, ihre Kinder mitzubringen. Bei Ritualen mit Stimme, Berührung und Storytelling können quer durch verschiedene Identitäten und Erfahrungen imaginative Möglichkeiten inniger Bindungen entstehen. In einer Zeit, in der Sorgearbeit einen dringlichen politischen Charakter angenommen hat, setzen praktische Übungen dort an, wo das Verlernen von Hierarchien Modelle bieten kann für eine inklusive Kunstproduktion, die nicht vor Interdependenzen zurückschreckt.
16.30–18h
Workshop in der Großen Runde, Hirschfeld Bar
Energie als gemeinsame Ressource
Mit Counterpublics: Constantina Theodorou und Giorgos Papadatos
Auf Englisch
Infrastrukturen für erneuerbare Energien, Wind- und Solarfarmen und riesige Stromnetze multiplizieren sich weltweit sehr rasch. Damit werden die letzten ungenutzten Lebensräume vom Planeten gewischt und Bedrohungen für Lebensformen geschaffen, die für ein gemeinsames Leben entscheidend sind. Was bedeutet es, scheinbar unbegrenzte, reichlich und überall vorhandene Ressourcen zu verteilen, während die zur Verteilung notwendigen Infrastrukturen gleichzeitig tatsächlich begrenzt, endlich und ortsspezifisch sind?
In ihrem Workshop gehen Counterpublics diesen Fragen nach. Dafür wird gemeinsam eine Installation aus kleinen erneuerbaren DIY Energiesystemen gebaut, die für alle einsetzbar sind, etwa um eine Lampe oder ein Radio mit Energie zu versorgen. Die produzierte Energie wird nach einem Zeitplan verteilt. Über das Energieverteilungsprotokoll wird von den Teilnehmenden gemeinsam und in laufenden Verhandlungen entschieden.
19–22h
Lyriklesung, Diskussion und Screenings im Vortragssaal
Zukunft archivieren
Mit Amaury Pacheco del Monte, José Luis Aparicio Ferrera, Fernando Fraguela Fosado, frency und Juliana Rabelo
Auf Englisch und Spanisch
So etwas wie eine unschuldige Präsenz, die sich nicht aus mehrdeutigen Verschränkungen von gegebenen Realitäten und zukünftigen Projektionen zusammensetzt, gibt es nicht. Diese Übung zwischen Vergangenheit und Zukunft stellt in Bezug auf kritische Vergangenheitsinterpretationen experimentelle Elemente ins Zentrum. Der experimentelle Teil versucht dabei nicht, Zukunftsutopien zu entwerfen und die Kritik der Vergangenheit versucht nicht, sie zu disqualifizieren. Vielmehr schaffen Sequenzen aus Denken, Erinnern und Vorahnen Distanzen zu historischen und biografischen Verständnissen von Zeit, sie positionieren sich zwischen den Dingen die entweder nicht mehr oder noch nicht existieren.
Der interdisziplinäre Workshop führt Prozesse und Methoden aus den visuellen Künsten, Lyrik, Film, Philosophie und Performance zusammen und vermittelt die Erfahrungen und Praktiken sehr unterschiedlicher Künstler*innen und Intellektuellen. Die Kunst von OMNI – Zona Franca, die während der letzten Jahrhundertwende mit größter Intensität praktiziert wurde, ist dabei Ausgangspunkt für mögliche Zukunftsszenarien. Die Dokumentation dieser Arbeit, die in Alamar entstand, einem gescheiterten Stadtprojekt, das in Kuba als „Stadt der Zukunft“ konzipiert wurde, wird als Archiv der (Dys/U)topie neu interpretiert. Die Teilnehmenden werden mit Fiktionen, poetischen Bildwelten und Entfremdung mehr über diesen Gemeinschaftssinn und die zeitliche Schwebe herausfinden. Die entstandenen Arbeiten werden dann unmögliche Relikte sein, oder, wie Chris Marker sagen würde: Erinnerungen an zukünftige Dinge.
Screenings ab 20.30h
El matadero / The Abattoir
R: Fernando Fraguela, Kuba 2021, 54 min, Spanisch mit engl. Untertiteln
Tundra
R: Jose Luis Aparicio, Kuba 2021, 30 min, Spanisch mit engl. Untertiteln
19–20.30h
Gespräch in der Großen Runde, Hirschfeld Bar
Forschung Verkörpern
Mit Irit Rogoff, Gigi Argyropoulou und Rahul Gudipudi, moderiert von Olga Schubert
In ihrem Vortrag thematisiert Irit Rogoff den „Research Turn“ in Kunst und Kuratieren und diskutiert, wie sich die Forschung von einer kontextuellen Aktivität – die Produktion und Ausstellung von Kunst – zu einer eigenständigen Lebensform in der Kunstwelt entwickelt hat. Das Verständnis von Forschung habe sich verändert, heißt es. Forschung, einst methodologisch auf der Grundlage „übernommenen Wissens“ basierend, wird zur Arbeit „unter eigenen Bedingungen“. Diese Bedingungen werden wiederum von Prekarität, Knappheit, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Kapitalisierung beeinflusst, was zwangsläufig Implikationen für die Auswahl von Themen, Methoden und das Publikum hat. Im Fokus dieser Wende steht die zentrale Rolle der zeitgenössischen Kunst bei der Entwicklung neuer Formen und Ausdrucksweisen der Forschung, die eher auf Erfindung und Spekulation als auf Beweis und Überprüfung beruhen. Unter Bezugnahme auf ihre eigene Praxis werden die Kurator*innen und Aktivist*innen Gigi Argyropoulou und Rahul Gudipudi auf Irit Rogoffs Vortrag antworten.
20.30–22h
Gespräch in der Großen Runde, Hirschfeld Bar
Der Weg ist oft assoziativ: Über den Duft einer guten Schule
Mit Natascha Sadr Haghighian und Avery F. Gordon, moderiert von Gigi Argyropoulou
Der Weg ist oft assoziativ. Du riechst gut. Du bist zwölf und besuchst die St. Philip and James School in der White Plains Road. Das Mädchen in der Reihe hinter dir bittet darum, dass du dich bei den Klassenarbeiten nach rechts lehnst, damit sie von dir abschreiben kann. Schwester Evelyn klebt die 100er und die schlechten Noten an die Schranktüren. ... Du sprichst eigentlich nicht. Nur, wenn sie dich um etwas bittet. Und später, als sie dir sagt, dass du gut riechst und eher wie eine Weiße aussiehst. Du vermutest, dass sie dir dafür dankt, dass du sie betrügen lässt, und dass sie sich besser fühlt, wenn sie von einer fast weißen Person abschreibt. Schwester Evelyn wird euch nie erwischen.
Claudia Rankine, Citizen: An American Lyric
Vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrung mit radikaler Pädagogik und experimenteller Wissensproduktion führen Natascha Sadr Haghighian und Avery F. Gordon ein Gespräch über einen assoziativen Weg, der die Leitfrage dieser Ausgabe der New Alphabet School aufgreift: Wie könnte eine Schule aussehen, die versucht, Lernen und Verlernen zu einem gemeinsamen Gut zu machen, das in lokalen Besonderheiten gründet?