15.–17.3.2018
Gefährliche Konjunkturen
Zur Aktualität von Balibar/Wallersteins „Rasse, Klasse, Nation“
Symposium
15.–17.3.2018
Rassismus artikuliert sich in Klassenverhältnissen und verstärkt sich mit nationalistischen Strömungen. Für emanzipatorische und solidarische Gesellschaftsentwürfe braucht es ein neues Verständnis dieser Dynamik. So lautet die bis heute zutreffende Diagnose des bahnbrechenden Bandes Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten von Étienne Balibar und Immanuel Wallerstein. 30 Jahre nach seiner Ersterscheinung, in Zeiten der Hochkonjunktur dieser unheilvollen Trias, ist es dringend geboten, die mehrdeutigen Wirkweisen ihrer Verbindungen neu zu bestimmen.
Staat und Gesellschaft sind einem umfassenden Wandel unterworfen – sei es durch die globale Finanzialisierung der Märkte, die sich lokal auswirkt, die logistische Durchdringung von Produktion und Alltag oder die Digitalisierung, die etwa auch das Konzept von (Staats-) Bürgerschaft vor ganz neue Herausforderungen stellt. Im Zuge des globalen Kapitalismus richten sich rassistische Strukturen neu aus, etablierte Klassenstrukturen transformieren sich. Dagegen formieren sich neue transnationale soziale Bewegungen – etwa feministische Initiativen, die Black Lives Matter-Bewegung und die Kämpfe von Migrant*innen um Rechte und Selbstbestimmung. Diese Gemengelage macht eine Untersuchung der Konjunktur von Rassismus in Bezug auf Klassenverhältnisse und Nationalismen erforderlich.
Das dreitägige Symposium Gefährliche Konjunkturen. Zur Aktualität von Balibar/Wallersteins „Rasse, Klasse, Nation“ geht dieser Neubestimmung mit Theoretiker*innen und Aktivist*innen aus unterschiedlichen fachlichen, sprachlichen und lokalen Perspektiven nach. In Diskussionen, Vorträgen und Präsentationen untersuchen sie neue Formen des Rassismus, befragen überkommene Vorstellungen von Klasse und die radikalen Transformationen, denen der Begriff der Nation heute ausgesetzt ist. Schon der politische Philosoph Balibar und der Soziologe und Historiker Wallerstein verstanden ihr Buchprojekt als eine „Praxis der Theorie“, als fortwährenden Dialog zwischen unterschiedlichen Positionen und als Raum für neue Untersuchungsperspektiven. Indem sie der Frage nachgingen, wie die geschichtlichen Konstruktionen von Rasse, Klasse und Nation zusammenhängen, wagten sie eine Bestimmung der Konjunkturen des Rassismus der Gegenwart, die heute aktualisiert werden muss. Diese Suchbewegung in dialogischer Form greift das Symposium für den gemeinsamen Verständigungsprozess auf und fragt nach dem globalisierten Kontext dieser ambivalenten Konstruktionen. Wie lässt sich ihre fortdauernde Wirksamkeit heute gesellschaftspolitisch verhandeln und wie kann eine theoretische Praxis dabei dienlich sein, gefährlichen Konjunkturen entgegenzuwirken?
Rasse, Klasse, Nation wurde seit der französischen Erstveröffentlichung von 1988 in neun Sprachen übersetzt. Wichtige Fragestellungen aus weltweiten Debatten zum Buch bilden die Grundlage des Symposiums – Recherchen zu seiner Rezeption in Ländern wie Griechenland, Palästina, Südkorea und den USA werden ebenso präsentiert wie Ergebnisse aus Workshops in Ankara, Belgrad, Berlin, Buenos Aires, Kolkata und Kapstadt zu seiner Aktualität und Perspektivierung. Zur Veranstaltung erscheint ein Reader, der die Recherchen zur Rezeption und die Workshop-Ergebnisse versammelt. Ein Film der Wissenschaftler und Filmemacher Charles Heller und Lorenzo Pezzani mit Étienne Balibar und Immanuel Wallerstein im Gespräch mit der Kulturwissenschaftlerin Manuela Bojadžijev erläutert den Kontext der Entstehung des Buches, diskutiert dessen Ansatz und aktualisiert im Dialog der beiden Autoren zentrale Thesen aus heutiger Perspektive.
Mit Norman Ajari, Étienne Balibar, Brenna Bhandar, Baidik Bhattacharya, Petar Bojanić, Maria Chehonadskih, Karl Dahlquist, Zimitri Erasmus, Verónica Gago, Maya Indira Ganesh, Kelly Gillespie, Ruth Wilson Gilmore, David Theo Goldberg, Nilüfer Göle, Mark Graham, Raquel Gutiérrez Aguilar, Wang Hui, Serhat Karakayali, Shahram Khosravi, Alex Taek-Gwang Lee, Sandro Mezzadra, Nasser Mufti, Antonio Negri, Ranabir Samaddar, Nishant Shah, John Solomos, Kaushik Sunder Rajan, Chris Tedjasukmana, Vanessa Eileen Thompson, Françoise Vergès, Kalindi Vora
Kuratiert von Manuela Bojadžijev und Katrin Klingan
Im Rahmen von 100 Jahre Gegenwart