Vortrag

Sylvester Okwunodu Ogbechie: Carl Einsteins „Negerplastik“ und die Erfindung der „afrikanischen Kunst“

Sa 26.5.2018
19.15h
Tagesticket 11€/8€ inkl. Ausstellung
Englisch mit deutscher Simultanübersetzung

Ogbechie erörtert im Zuge seiner Neudeutung der afrikanischen Kunstgeschichte, wie die Bildersammlung und der Text von Carl Einsteins Buch „Negerplastik“ einen problematischen Kanon afrikanischer Kunst schufen, der bis heute fortwirkt. Einsteins Buch spielte für die weltweite Rezeption der Kunst Afrikas eine wichtige Rolle, weil es diese Kunst in die damals aktuellen Debatten zum Inhalt der Form und zu numinosen Bildwelten im Kontext der Moderne einbezog. Doch Einstein zauberte die Kategorie „afrikanische Kunst“ mehr oder weniger aus dem Nichts herbei, indem er eine Reihe manipulierter und keineswegs repräsentativer Abbildungen zu einem Gesamtsystem ausdeutete. Die in seinem Buch abgebildeten Plastiken waren zumeist schon Reaktionen auf die koloniale Konfrontation. Sie stellten in Wirklichkeit kein „zeitloses Afrika“ dar, sondern belegten gerade die Aktualität der zeitgenössischen afrikanischen Kunst um 1900. Ogbechie interpretiert das Buch „Negerplastik“ im Kontext von Werken des Yoruba-Künstlers Olowe of Ise (ca. 1873-1938) und macht an diesem Beispiel deutlich, dass Einstein die Dynamik der damaligen afrikanischen Protokolle bildlicher Darstellung übersah.

Sylvester Okwunodu Ogbechie ist Professor für Kunstgeschichte und Visual Cultures of Global Africa an der Universität von California, Santa Barbara. Er publizierte über den nigerianischen Modernisten Ben Enwonwu (2008) und zur Sammlung der Femi Akinsanya African Art Collection (2011). Er ist Herausgeber von Artists of Nigeria (2012) und Gründer von Critical Interventions: Journal of African Art History and Visual Culture. Ogbechie erhielt Fellowships, Stipendien und Preise der Rockefeller Stiftung, des Getty Research Institute und des Institute for International Education. Seine Forschungsinteressen umfassen zeitgenössische Kunst, Kulturinformatik und das kulturelle Erbe Afrikas und der afrikanischen Diaspora im Zeitalter der Globalisierung.

Teil der Konferenz Tiefenzeit und Krise, ca. 1930