Koloniale Perspektiven umkehren: Wie „europäisch“ ist die Kunst der Moderne?

Führung mit Julia Grosse, Peggy Piesche

So 29.4.2018
15h
Teilnahmebeitrag: 3 € zzgl. Ausstellungsticket
Auf Deutsch

Die Veranstaltung ist ausverkauft.

Die dominierende Perspektive auf Kunst aus Afrika in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war kolonialistisch. Die „Entdeckung“ der plastischen Werke der Fang, der Dogon oder des Reiches Benin durch Künstler in Paris, Berlin oder London ab 1905 war nur möglich, weil der „Ausstellungskomplex“ [exhibitionary complex] (Tony Bennett) seit dem 19. Jahrhundert die Ausbeutung der Kolonien mit den Sammlungen der ethnologischen Museen in den Metropolen verband. Bald traten auch Kunsthandel, Kunstkritik und Verlagswesen auf den Plan. Sie vor allem sorgten dafür, dass aus ethnografischen Objekten und kolonialen Trophäen im Laufe der 1920er Jahre endgültig objets d’art wurden. Carl Einsteins Veröffentlichungen zur afrikanischen Skulptur seit 1915 hatten an dieser Entwicklung ihren Anteil. Der veränderte Status afrikanischer Kunst als Ware auf dem europäischen und amerikanischen Kunstmarkt ließ ein eigenes connoisseurship entstehen. Bisweilen in Abgrenzung von dessen spekulativem Formalismus bewegten sich die ethnologische Forschung und deren kunstgeschichtliche Ableger. Die Kunst aus zumeist kolonisierten Regionen Afrikas, Asiens, Amerikas oder Australiens wurde zum Spiegel und zur Kontrastfolie. Mit ihrer Hilfe versicherte sich die westliche Kultur entweder ihrer eigenen Überlegenheit oder der dringenden Notwendigkeit einer Selbstentfremdung. Zur entscheidenden Umkehr der kolonialen Perspektive auf afrikanische Kunst kam es jedoch erst durch afrodiasporische Künstlerinnen und Theoretiker in den 1920er und 1930er Jahren.

In einem dialogischen Rundgang durch die Ausstellung erörtern Julia Grosse und Peggy Piesche die Frage, wie „europäisch“ die Kunst der Moderne tatsächlich ist.

Julia Grosse ist Mitherausgeberin und Chefredakteurin des Kunstmagazins Contemporary And (C&). Sie studierte Kunstgeschichte, Germanistik und Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität in Bochum und arbeitete im Anschluss als Kulturredakteurin beim Springer Verlag. Bis 2013 war sie in London tätig als Kolumnistin für die taz und Kunstkorrespondentin für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, AD Magazine, SZ Magazin sowie die Süddeutsche Zeitung. 2010 publizierte Grosse Don’t get me wrong, ein Handbuch, das die vielen Ebenen globaler Missverständnisse durch Gesten adressiert und als Buch der Woche bei CNN ausgezeichnet wurde. Ihre jüngste Veröffentlichung I am built inside you erschien im April 2017 bei Sternberg Press. Im März erschien ihr Buch Ein Leben lang bei Hoffmann und Campe. Julia Grosse lebt und arbeitet seit 2013 in Berlin.