Lecture Performances, Vorträge, Diskussion
Stop Making Sense
Von der Sprachentwicklung künstlicher Intelligenz bis zu Blockchain-Strukturen ist das Erkennen von Mustern und Gesetzmäßigkeiten die Grundlage vieler Technologien. Dabei reproduzieren sie Vorurteile, Weltsichten und Besitzlogiken der Gesellschaften, von denen sie „lernen“. Sind Selbstbestimmung und Dezentralisierung in der Technologieentwicklung trotzdem möglich? Wer steuert die Protokolle algorithmischer Infrastrukturen? Wie kann man sich in ihnen politisch organisieren? In Auseinandersetzung mit der Arbeit eines der führenden KI-Entwicklers der Welt, Luc Steels, setzen sich künstlerische und aktivistische Positionen mit technologischer Sprachentwicklung auseinander und fragen nach neuen politischen Organisationsformen, um sprachliche Commons auszuhandeln.
Moderiert von Bernd Scherer (Intendant HKW)
Kuratiert von Bernd Scherer und Olga von Schubert
Programm
15-15.30h
The Language of Broken Glass
Hito Steyerl (Filmemacherin), Bernd Scherer
Präsentation, Gespräch
Hito Steyerl untersucht den Einfluss der Künstlichen Intelligenz auf das urbane Umfeld und erforscht, wie aus bildbasierten Handlungen im öffentlichen Raum alternative Praktiken erwachsen können. Ihre neue Arbeit The City of Broken Windows (2018), die im Castello die Rivoli bei Turin Premiere feierte, dreht sich darum, der KI beizubringen, woran man das Geräusch zerbrechender Fensterscheiben erkennen kann. Im Gespräch mit Bernd Scherer stellt die Künstlerin ihre ortsspezifische Filminstallation vor.
15.30-16h
Language is a Slippery Thing
Luc Steels (KI-Forscher und Opernkomponist)
Vortrag
Sprache galt früher als mehr oder minder starres System, dem eine universelle, möglicherweise immanente Struktur zugrunde liegt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass Sprache eher wie ein Fluss ist, in steter Bewegung. Luc Steels’ Vortrag bietet einen Einblick in die faszinierenden Experimente zur Sprachentwicklung, die in den letzten Jahrzehnten – teils auch im Kontext von Kunstausstellungen – stattgefunden haben. Er untersucht aber auch, wie und warum soziale Medien in letzter Zeit einem Sprachgebrauch Vorschub geleistet haben, der auf Desinformation, spaltende Diskurse und postfaktische Verschwörungstheorien ausgerichtet ist. Wir müssen uns fragen: Welchen Einfluss hat die Technologie auf diese signifikante Verschiebung im menschlichen Diskurs? Wie verändert sie Sprache und ihren Gebrauch? Wird Sprache ihre Fähigkeit verlieren, andere durch Argumente zu überzeugen und die Wahrheit auszudrücken? Wie können wir dieses wertvolle Werkzeug zurückgewinnen, das so essenziell ist für den Zusammenhalt der Gesellschaft?
16-16.30h
Sprachagenten
Luc Steels im Gespräch mit Giulia Bruno (Künstlerin) und Armin Linke (Künstler)
Lecture-Performance
Ein Film über Künstliche Intelligenz, Roboter, Sprachspiele und die Eigenarten nicht-menschlicher Kommunikation: Giulia Bruno und Armin Linke haben den belgischen Wissenschaftler und Künstler Luc Steels in dessen Archiv besucht und sein Forschungsmaterial in einer Videoinstallation zusammengetragen und kommentiert. Steels’ Talking Heads Experiment ließ zwischen 1999 und 2001 erstmalig Roboter unabhängig von zentralisiertem menschlichen Input mithilfe von Sprachspielen ein eigenes gemeinsames Vokabular erlernen, das über die Interaktion mit „menschlicher Intelligenz“ weiterentwickelt wurde. Die Lecture-Performance gewährt einen Einblick in das Filmprojekt, das in der Ausstellungshalle zu sehen ist.
16.30–17h
Diskussion und Q&A
17.30-18h
Wenn alles wahr ist – Wissen und Manipulation
Felix Stalder (Medien- und Kulturwissenschaftler)
Vortrag
Digitale Technologien bieten Mittel an, um die markant gestiegene Komplexität der Gegenwart zu erfassen und der menschlichen Wahrnehmung zugänglich zu machen. Gleichzeitig destabilisieren sie unseren Bezug zur Welt, da viele dieser neuen Werkzeuge Wissen privatisieren und es rein instrumentell konzipieren. Hier geht es nicht um Wahrheit, ja nicht einmal mehr darum, die Zukunft vorherzusagen, sondern sie in andere Bahnen zu lenken. Wir stecken fest. Die alten Methoden werden den Problemen nicht mehr gerecht, die neuen sind fest in den Händen von einigen wenigen Akteur*innen, die enge sicherheitspolitische und ökonomische Ziele verfolgen. Neue Handlungsoptionen könnten entstehen, wenn es gelingt, diese Werkzeuge explizit in die bestehende soziale und ökologische Komplexität einzubetten, statt zu versuchen, die Realität von außen zu manipulieren.
18-18.30h
Die Datafizierung der Wissenschaft
Kate Crawford (Distinguished AI Scholar) und Trevor Paglen (Künstler)
Vortrag
Sind Künstliche Intelligenz und Machine Learning wirklich die richtigen Metaphern, um die training sets zu beschreiben, die automatisierten Prozessen zugrunde liegen? Kate Crawford und Trevor Paglen analysieren die Produktion von Trainingsdaten und beleuchten die historischen Ursprünge, Arbeitspraktiken, Infrastrukturen, epistemologischen Annahmen, Vorurteile und Verzerrungen, die ihnen zugrunde liegen. Ausgehend von diesen Beobachtungen fragen sie sich: Besteht die Möglichkeit einer dezentralisierten, ortsbezogenen KI? Und wie verhält sich die rechnergestützte Zentralisierung zur Reduktion?
Blockchain als codierte Infrastruktur
Simon Denny (Künstler)
Vortrag
In den letzten Jahren haben Kryptowährungen wie Bitcoin und der Blockchain-Ledger, den sie verwenden, Fantasien vom „alternativen Web“ oder „Web 3.0“ beflügelt, das auf der Dezentralisierung von (finanzieller) Macht, direkter Demokratie und basisdemokratischem Zugang beruht. Simon Dennys Arbeit zweifelt die Idee der „Dezentralisierung“ innerhalb der Kryptowirtschaft an und fragt danach, ob die kodierte Infrastruktur von Kryptowährungen nicht weiterhin derselben Logik der Zentralisierung folgt, die soziale und politische Bedürfnisse rechnerisch und abstrakt darstellt. Anhand von Beispielen bekannter Persönlichkeiten und Unternehmen, die er in seinen Kunstwerken offengelegt hat, geht Denny der Frage nach, ob Kryptowährungen und ähnliche Technologien nicht eher eine Fortsetzung herrschender Wirtschaftsparadigmen ermöglichen, anstatt mit diesen zu brechen.
18.30h
Diskussion
Kate Crawford, Trevor Paglen, Felix Stalder und Luc Steels, moderiert von Bernd Scherer