Vorträge, Diskussionen, Keynote

Copyleft or Copywrong? Part 1

Larisa Kingston Mann, Joe Bennett, Monika Dommann, Martin Kretschmer, Fiona Macmillan, Marisella Ouma, Anjali Vats

Sa 20.10.2018
Foyer
16–20h
Eintritt frei

16h: Blurred Lines of Plagiarism: On Musical Appropriation and Business
Vorträge und Diskussion mit Joe Bennett (forensischer Musikwissenschaftler, Berklee College of Music), Martin Kretschmer (Jurist, University of Glasgow; Leiter des CREATe Centre), Anjali Vats (Kommunikationswissenschaftlerin, Juristin, Boston College)
moderiert von Andrea Goetzke (Kulturproduzentin und Kuratorin, Music Pool Berlin; Torstraßenfestival)

Musik vor Gericht: Wie lässt sich feststellen, ob ein Song die Kopie eines anderen ist? Was ist noch Hommage, was schon Plagiat? Kann der Klang eines Musikstücks geschützt werden? Welche Form musikalischer Aneignung und Transformation gilt als legitim, welche nicht und warum? Plagiatsfälle sind ein großer Teil des Musikgeschäfts geworden. Copyright gilt als neue „Währung“ für die Investoren in Kreativität – weniger für die Kreativen selbst. Es geht aber nicht nur um sehr viel Geld: Nichts Geringeres als die Definitionen und Ethik kreativer Praxis stehen hier zur Verhandlung. Musikanalyse, Begriffsrhetorik, moralische Wertesysteme und Kulturgeschichte: Viele Faktoren jenseits des Gesetzes können entscheiden, wer Recht bekommt – und welche Präzedenzfälle das Musikschaffen von morgen prägen.

17.30h: Protection of Traditions: Cultural Expressions in the Postcolonial Condition
Vorträge und Diskussion mit Fiona Macmillan (Juristin, Birkbeck University of London), Marisella Ouma (Anwältin für geistiges Eigentumsrecht; Generalstaatsanwaltschaft und Justizministerium Kenia), Monika Dommann (Historikerin, Universität Zürich)
moderiert von Andrea Goetzke (Kulturproduzentin und Kuratorin, Music Pool Berlin; Torstraßenfestival)

1991 erreichte das Album Tribal Voice von Yothu Yindi Platz 4 der australischen Albumcharts. In der Musik der Aboriginal-Rock-Band treffen jahrtausendealte indigene Gesänge auf pop-typische Instrumente und Songstrukturen. Wie stehen Folklore und Copyright zueinander? Was ist public domain, was kulturelles Eigentum? Als europäische Erfindung basiert das Copyright für Musikkompositionen auf dem Ausschluss tradierter, oraler und gemeinschaftlicher Musikpraxis – dazu zählen auch viele Stücke des US-amerikanischen Folk- und Blueskanons. Postkoloniale Diskurse und Forderungen im Zuge der Dekolonialisierung ebenso wie die Ausweitung internationaler Handelsverträge haben diese Unterscheidung in Frage gestellt. Seither wird der Schutz für Traditionelle Kulturelle Ausdrucksformen (Traditional Cultural Expressions – TCE) diskutiert und vielerorts gesetzlich implementiert. Was sind die Charakteristika solcher schützenswerter Ausdrucksformen? Was ist ihr politischer Nutzen für lokale Gemeinschaften? Wie verändert die Verrechtlichung auf Basis von Autorschaft und Privateigentum die betreffenden Kulturpraxen, welche Auswirkungen hat die resultierende Fixierung und Kommodifizierung? Welche Alternativen bieten kollaborative und Commons-basierte Modelle?

19h: Rude Citizenship: Jamaican Musical Challenges to Copyright(ed) Culture
Keynote von Larisa Kingston Mann (Rechtsethnologin, Temple University)

Remix-Kultur, Dub Versions, Sound Systems und Straßenpartys als kreatives Zentrum: Jamaikanische Musikpraxis ist kollaborativ und unterläuft gängige Copyrightprinzipien. Wie können alternative Vorstellungen von Eigentum, Kontrolle und Verwertung von Musik aussehen? Welche Musiktechniken setzen marginalisierte Communities dem Urheberbegriff der Rechtsinstitutionen entgegen? – Wenn sie nicht gerade als DJ Ripley die Clubs mit globalen Bass-Sounds anheizt, untersucht Larisa Kingston Mann Möglichkeitsräume für autonome Kulturpraxis und wie Recht und Medien diese formen. Copyright ist auch eine Kulturtechnologie, die gewisse institutionelle Strukturen voraussetzt und ein bestimmtes Verständnis kreativer Praxis reproduziert. Wie verhalten sich diese Vorannahmen zu den Interessen und Praktiken von Musiker*innen?