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Wetter

Jenny Offill | Melanie Walz

Wetter, Foto: Silke Briel

Jurykommentar

Ein Roman zur Stunde, der mit fast beiläufiger Präzision das ewig krisenhafte Gefühl unserer spätkapitalistischen Gegenwart einfängt und damit vorausnimmt, was mindestens seit der Pandemie überdeutlich ist: Diese Krise ist eine Krise in der Krise in der Krise. Offills Erzählerin, die New Yorker Bibliothekarin Lizzie, misst die diffuse Endzeitstimmung um den Zeitpunkt der Wahl Trumps anhand ihres eigenen Alltags – in kurzen Beobachtungen, trocken und oftmals sehr komisch. Sorgen über die Zukunft des Sohnes oder über den einst drogenabhängigen Bruder treiben Lizzie ebenso um wie die zu heißen Sommer in Brooklyn. Als Assistentin für einen Klima-Podcast beantwortet sie Emails von besorgten bis panischen Umweltschützenden, Preppern und Evangelikalen. Doch was sich zunächst wie ein breites Panorama apokalyptischer Paranoia liest, gewinnt in Offills meisterhaft konstruiertem Roman beinahe unmerklich an Fahrt. Der Fokus wird schärfer: weg vom Wetter, hin zum Klima. Offill legt ihrer Erzählerin keine einfachen Antworten in den Mund. Dass der Roman dennoch Hoffnung schenkt, liegt ebenso an seiner experimentellen, luftigen Form wie an dem von Melanie Walz treffsicher übersetzten Ton, dessen humorvolle Distanz weder zynischen Fatalismus noch abwiegelnde Ironie zulässt. Beide Elemente schaffen Raum, um sich mit der bereits andauernden Katastrophe auseinanderzusetzen, aus der Starre zu kommen, aktiv zu werden.

– Dominique Haensell, Jury

Jenny Offill, © Emily Tobey

Autorin: Jenny Offill

Jenny Offill lebt im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Weather (Wetter) ist nach Dept. of Speculation (Amt für Mutmaßungen) ihr zweiter ins Deutsche übersetzte Roman. Er stand auf der Shortlist des Women's Prize for Fiction und wurde u. a. von der New York Times und Esquire zu den besten Romanen des Jahres 2020 gezählt.

Melanie Walz, © Annette Pohnert / Carl Hanser Verlag

Übersetzerin: Melanie Walz

Melanie Walz lebt in München und ist Übersetzerin aus dem Englischen. Sie übertrug zahlreiche namhafte Autor*innen ins Deutsche, u. a. Patricia Highsmith, Charles Dickens, Michael Ondaatje, Maya Angelou, Virginia Woolf und zuletzt George Eliot.