Tang Chang
Tang Chang (auch bekannt unter dem Namen Chang Sae-tang) wurde 1934 in Bangkok in einer armen chinesischen Familie geboren. Er begann im Alter von neun Jahren zu zeichnen und blieb zeitlebens Autodidakt. Den größten Teil seiner Kindheit verbrachte er rund um einen Tempel in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, wo ein Mönch zu seinem Mentor wurde und seine Neugier auf Philosophie und Buddhismus weckte. Changs Schulbildung unterbrach der Zweite Weltkrieg; er kam nicht über die Grundschule hinaus, lernte aber die chinesische Sprache in Abendkursen. Als Kind verrichtete Chang Gelegenheitsarbeiten, und im Alter von sechzehn Jahren verdiente er sich erstmals mit lebensnahen Holzkohleporträts ein Zubrot. Seine künstlerische Laufbahn begann in den späten 1950er Jahren. Eine Faszination für die Natur bedingte seine Vorliebe für Landschaften, die er zumeist mit Wasserfarben auf Papier malte, also mit billigen und leicht verfügbaren Materialien, die sein gesamtes Schaffen weitgehend prägten. Bald begann er, in diese Landschaften nichtfigürliche Elemente einzuführen und abstraktere Versuche mit Tusche zu unternehmen. Anfang der 1960er Jahre entdeckte er zudem das Malen auf unbehandelter Leinwand. Daraus entstanden die abstrakten, kalligrafischen Werke, für deren gestische, in der modernen Kunst Thailands beispiellose Spontaneität er später bekannt wurde.
Chang erhielt ab Mitte der 1960er Jahre zunehmend Einladungen, an Universitäten zu unterrichten sowie in Galerien und Kultureinrichtungen auszustellen. Dass seine Arbeiten zur Handelsware auf den Kunstmarkt wurden, ließ er allerdings nicht zu und wahrte seine Unabhängigkeit auch gegenüber der thailändischen Kunstszene. Gleichwohl genoss er die Achtung einiger ihrer einflussreichsten Vertreter, darunter Pratuang Emjaroen, Paiboon Suwannakudt und Kamol Tassananchalee, mit denen er freundschaftlichen Umgang pflegte. Um seinem Werk ein größeres Publikum zu erschließen, lud er junge Kunst- und Poesiebegeisterte ein, bei ihm informell Unterricht zu nehmen. So förderte er etliche Erneuerer aus den nachfolgenden Generation wie Phaptawan Suwannakudt and Somboon Hormtienthong.
Genregrenzen interessierten Chang kaum. Er wechselte intuitiv zwischen Malerei, Zeichnung und Literatur. 1967 begann er zu schreiben, ohne viel über Dichtung zu wissen. Er nutzte die Wiederholung, um Dynamik und Gefühl auszudrücken, woraus sich mit der Zeit eine tägliche Praxis entwickelte, die man als „konkrete Poesie“ bezeichnen könnte. Damit stellte er die herrschenden Vorstellungen von Thai-Dichtung infrage, gleichzeitig gelang es ihm, in formaler Schlichtheit tiefe Einsichten zu vermitteln. In den 1970er Jahren vertiefte er seine Auseinandersetzung mit chinesischer Philosophie und Literatur. Er begann, klassische Texte zu übersetzen und sie in Adaptionen durch Vereinfachungen, Kommentare und Erläuterungen einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen.
1985, wenige Jahre vor seinem Tod, eröffnete er in seinem Wohnhaus ein kleines Museum, das er „Institut für moderne Kunst des Dichters Tang Chang“ nannte. Hier stellte er seine Arbeiten aus, und hier versammelten sich Künstlerfreunde, Dichter*innen, Student*innen und Kunstliebhaber*innen. Als die Familie nur drei Jahre später gezwungen war, das Haus abzureißen, schloss er mit großem Bedauern sein Museum. Bei seinem Tod 1990 hinterließ er ein außergewöhnliches Erbe in der Obhut seiner Familie.
Mary Pansanga