La ciénaga (The Swamp), Filmstill, © Promo

09.–20.9.2015

Nuevo Cine Argentino

Filmische Retrospektive 1995 – 2015

Filmfestival

9.–20.9.2015

Seit Mitte der 1990er Jahre verzeichnen argentinische Filme regelmäßig internationale Festivalerfolge, finden ihren Weg in europäische Programmkinos und werden auf akademischen Symposien diskutiert. Der Erfolgsgeschichte des neuen argentinischen Films widmet das Haus der Kulturen der Welt vom 10. bis 20. September 2015 eine umfassende Filmschau.

Das Nuevo Cine Argentino ist eines der kreativsten, komplexesten und bedeutendsten kulturellen Phänomene im gegenwärtigen Argentinien. In nur zwanzig Jahren gelang es zwei Generationen von Filmemachern auf radikale Weise, die Regeln der cineastischen Praxis des Landes neu zu bestimmen und einzigartige zeitgenössische Produktionen zu realisieren.

Das Neue Argentinische Kino ist ein Kind der neoliberalen 1990er Jahre, die das Land Anfang des 21. Jahrhunderts fast in den Untergang stürzten, dank derer Argentinien jedoch paradoxerweise wieder Anschluss an die Welt fand. Die Aufwertung des Peso erleichterte den Zugang zu Filmtechnik und den Kontakt mit neuen Kulturzirkeln; argentinische Kritiker konnten reisen und persönlich von internationalen Filmfestivals berichten; die ersten Fachzeitschriften erschienen, Filmakademien und -festivals entstanden.

Wie ihre Vorläufer – der italienische Neorealismo, die Nouvelle Vague, das Cinema Novo – erwuchs auch die argentinische Bewegung als ein großes Low Budget-Kino aus den Trümmern eines festgefahrenen Status Quo.

Die neuen Filme sind Früchte einer harten Zeit, die von zunehmender Verelendung und systematischer Ausgrenzung geprägt war. Und sie alle verweisen, ohne zu predigen oder in wohlmeinenden Pietismus zu verfallen, auf die drastischen Folgen jener Jahre: Gewalt und Verfall der Städte, Zerfall der Gesellschaft, Marginalisierung, Prekarisierung der Arbeit, Auflösung der Strukturen von Klasse und Familie, neue Migration. Sie entdecken unbekannte oder übersehene Gesichter, Körper und Sprachen, machen geheime Figuren, Spannungen und Landschaften sichtbar, verschmelzen Fiktion und Dokumentation in hybriden Formen, hinterfragen die Beziehung zwischen Erinnerung und Gegenwart, Zentrum und Peripherie, bewusster Entscheidung und Zufall.

In diesem sehr argentinischen und zugleich universellen Kino positioniert sich ästhetische Innovation in einem Spannungsverhältnis zum kritischen Wunsch, die blinden Flecken einer Gesellschaft aufzudecken, die aus der Krise ihren quasi natürlichen Zustand, ihr Imperium und ihre Leidenschaft gemacht hat.

Alan Pauls, Kurator