Lesung

Ha Jin

A Free Life

Sa 15.9.2007
18h
Eintritt: 5 €, ermäßigt 3 €; Kombiticket: Lesung Ha Jin und Film „Eat a Bowl of Tea“ 6 €
Ha Jin, Copyright: Jerry Bauer

Aus der deutschen Übersetzung liest Frank Arnold.

Moderation: Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)

Ha Jin wurde 1956 in der nordchinesischen Stadt Jinzhou geboren. Mit 14 trat er in die Volksbefreiungsarmee ein. 1977 wurden die im Zuge der Kulturrevolution geschlossenen Universitäten wieder eröffnet und Ha Jin begann Englisch zu studieren. 1985 emigrierte er in die USA, wo er promovierte und 1997 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Bis zum Herbst 2001 unterrichtete er Englische Literatur an der Emory University, seit 2002 ist er Professor an der Boston University. Seine ersten Romane und Erzählungen spielen im China zwischen der Kulturrevolution und der Gegenwart. Für den Roman Warten erhielt Ha Jin neben dem PEN/Faulkner Preis auch den National Book Award und wurde für den Pulitzerpreis nominiert. In dem Roman War Trash (2004), das zweite Buch, das mit dem PEN/Faulkner-Award ausgezeichnet wurde, thematisiert der Autor die chinesische Beteiligung am Korea-Krieg Anfang der 1950er Jahre. Dieses Jahr im Oktober erscheint A Free Life, Ha Jins erster Roman, der in den USA spielt.

Appetizer

„Nan hatte seinen Sohn vier Jahre lang nicht gesehen. Taotao wirkte zerbrechlicher als auf den Fotos, auf jeden Fall war er hübscher. Er hatte die schmale Nase und die dunkelbraunen Augen seiner Mutter. Hand in Hand gingen die Wus zur Bushaltestelle, das Kind in der Mitte zwischen seinen Eltern. Als sie an die Drehtür kamen, blieb der Junge stehen und wollte das Gebäude nicht verlassen. „Wann gehen wir wieder zurück?“, fragte er seine Mutter. Sein Chinesisch hatte einen leichten Shandong-Akzent, da er bei Pingpings Eltern gelebt hatte.
„Was? Wovon redest du?“, fragte seine Mutter.
„Onkel und Tante warten doch in Shanghai auf uns.“
„Wirklich?“
„Ja, sie wollen uns dort treffen.“
„Wer sagt das?“
„Sie haben mir gesagt, ich soll herkommen und euch beide mit zurückbringen. Lass uns jetzt nach Hause gehen.“
„Können wir nicht erst noch einen Tag hier bleiben?“, mischte Nan sich ein, der vermutete, dass die Verwandten Taotao nur so zu dem Flug mit den Stewardessen hatten überreden können.
„Ich will aber nach Hause.“
Nan rang sich ein Lächeln ab und bezwang die Verzweiflung, die in ihm aufstieg. „Möchtest du denn nicht Delphine und Wale sehen?“
„Echte?“
„Klar.“
„Wo? Hier?“
„Nein, dazu müssen wir in eine Stadt namens Boston fliegen. Dort gibt es jede Menge Wale und Delphine. Die willst du dir doch ansehen, oder?“
„Ja“, warf Pingping ein, „wir sehen uns noch ein bisschen was an, bevor wir uns auf den Heimweg machen.“
„Hast du Lust?“, fragte Nan.
Der Junge zögerte. „Dann müssen wir aber Onkel und Tante Bescheid sagen. Sie warten sonst am Flughafen in Shanghai auf uns.“
„Mach dir keine Sorgen, sagte sein Vater, ich rufe sie an “.

Aus: Ha Jin: A free Life. Random House Inc, New York 2007.
(Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck)

Eine Veranstaltung im Rahmen der „Asien-Pazifik-Wochen 2007 – Asien-Pazifik verändert die Welt“. Die Asien-Pazifik-Wochen werden unterstützt von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin DKLB.