Lesung
Jonathan Lethem
Downtown, Uptown, Crosstown - Literatur aus New York
Aus der deutschen Übersetzung liest Jasmin Tabatabai.
Zehn Protagonisten der Literaturszene New Yorks lesen im Haus der Kulturen der Welt: berühmte Stimmen und Newcomer, Romanautoren und Lyrikerinnen. Vielstimmigkeit in jeder Hinsicht - diese Autoren eröffnen Einblicke in die Vielfalt der kulturellen, ethnischen und sozialen Zugehörigkeiten, die das Zusammenleben in New York ausmachen. Sie erzählen von Lebenswelten zwischen den Kulturen, von Erfahrungen am Rande der Gesellschaft und suchen nach Formen, um die Komplexität unserer globalisierten Gegenwart zu fassen.
Fast nostalgische Brooklyn-Romane - „Die Festung der Einsamkeit“, „Motherless Brooklyn“- machten Jonathan Lethem zum internationalen Literaturstar. Im Haus liest er aus seinem neuesten Roman "Du liebst mich, du liebst mich nicht". Die Geschichte von Lucinda, die täglich acht Stunden damit verbringt, bei einer Nörgel-Hotline anonymen Anrufern zuzuhören und die Sätze eines Nörglers in Pop-Hits verwandelt, ist der Ausgangspunkt für eine Reflektion über das Begehren und zugleich über Fragen der Urheberschaft.
Moderation: Sigrid Löffler (Literaturen)
Über Jonathan Lethem
Seit seinem 2003 erschienen Bestseller Die Festung der Einsamkeit, zählt Jonathan Lethem, geboren 1964, zu den wichtigsten amerikanischen Gegenwartsautoren. Der autobiographisch gefärbte Roman über das Erwachsenwerden spielt in Brooklyn. Anfang der 70er Jahre zog Lethem mit seiner Familie nach Brooklyn, damals noch ein Stadtteil mit überwiegend schwarzer und puertoricanischer Bevölkerung. Seine Erfahrung, zur weißen Minderheit zu gehören, hat sein literarisches Schaffen deutlich beeinflusst. 1984 zog Lethem nach Berkeley und blieb mehrere Jahre an der Westküste, wo er Kurzgeschichten sowie erste Romane verfasste. 1996 kehrte Jonathan Lethem nach Brooklyn zurück. Dort schrieb er Motherless Brooklyn (2001), eine fast surrealistisch anmutende Kriminalgeschichte, die zahlreiche literarische Auszeichnungen erhielt. Lethems neuester Roman Du liebst mich, du liebst mich nicht erschien dieses Jahr.
Appetizer
"Lucinda griff in die Saiten, produzierte einen Kaltstart des Songs und stellte sich diesmal mit dem Gesicht zu Denise, von der sie die Antwort der Drums forderte. Denise ging darauf ein, hämmerte den Beat in doppelter Geschwindigkeit. Der Sound war dynamisch, unheimlich, vorsprachlich, Bass und Schlagzeug wie die Rudimente des Lebens selbst, Behauptung und Widerspruch, und jede Interpretation der Figur eine Abfuhr, bis der Notenschwarm erneut einsetzte. Wozu brauchte man Wörter? Wozu brauchte man überhaupt Gitarren, dieses eingebildete Gejammer? Lucinda fühlte sich wild und unversöhnlich. Auch als die Gitarren einsetzten, ließ sie sich nicht besänftigen. Lucindas Ansage hatte sogar Bedwin wachgerüttelt, der gerade mit seiner Leadline zugab, dass der wortlose Song einen melodischen Aufhänger hatte.
Denise zog das Tempo weiter an, und niemanden störte das.
Das Wesen, das im Müll wühlte, hörte zu. Es ließ den Hühnchenkadaver fallen, den es aus der Alufolie befreit hatte, und jaulte sein eigenes Lied in die Baumkronen.
„Monster eyes“, schrie Lucinda auf dem Höhepunkt des Refrains. Die anderen drehten sich um und staunten.
„Get you out of range of my monster eyes“, sang sie atonal bei der Wiederholung des Refrains. „Best thing I ever did for you, was get you out of range of my monster eyes ...”
Danach suchte sie sich ihren Weg zum Anfang des Verses: „Before my eyes destroy you, better run, better run ...“ Sie summte, um sich eine weitere Zeile zu erarbeiten: „Näh näh näh feel my eyes abhor you, danna näh, danna näh ...“
Aus: Jonathan Lethem: Du liebst mich, du liebst mich nicht. Copyright Tropen Verlag, Berlin 2007, S. 32.
Mehr Informationen
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Offizielle Homepage des Autors (en)
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