Gespräche, Präsentationen, Performance
Seeds
Am Umgang mit Seeds zeigt sich, wie Technologie den Unterschied zwischen internen und externen Bedingungen des Lebens auflöst. Agronomische Großprojekte wie die Grüne Revolution, Trofim Lysenkos antigenetische Experimente und der Große Stalin-Plan zur Umgestaltung der Natur künden um 1948 von einem ingenieurhaften Verständnis von Erbgut und Umweltfaktoren. Gleichzeitig macht die Molekularbiologie das Leben selbst zu einem Baukasten. Eine Kette intensiver Gespräche untersucht die Praktiken und Ideologien des Zusammenfalls von Mutation und Modifikation. Eine Performance beschwört in Form von Mikro-Prozessionen historische und aktuelle Momente der agrarisch-industriellen Technosphäre.
15h
Luis Campos, Arren Bar-Even
Heredity and Heresy
Präsentation, Gespräch
Der Wissenschaftshistoriker Luis Campos und der Biochemiker und Molekularbiologe Arren Bar-Even sprechen über den Stand von Genetik, Pflanzenzüchtung und landwirtschaftlichem Engineering um 1948, über die wissenshistorischen Grundlagen und ideologischen Spannungsfelder der Vererbungslehre und ihre technischen Möglichkeiten. Einführend legt Luis Campos dar, wie angestrebte Veränderungen des natürlichen Vererbung bereits seit langem eng mit den größeren Transformationen der Technosphäre und ihren diversen politischen Kontexten verbunden sind. Inwieweit lassen sich die Vorzüge der Zellgenetik, die die Grüne Revolution des Westens auf den Weg brachte, und die 1948 in der Sowjetunion zum Dogma erhobene Pseudowissenschaft Lysenkos miteinander vergleichen? Campos erläutert damals neue Disziplinen wie die „Astrobotanik“ und deren Idee, die irdische Biologie in andere Welten zu übertragen.
15.45h
Arren Bar-Even, Helena Shomar
Non-generic Genetics
Präsentation, Gespräch
Arren Bar-Even und die synthetische Biologin Helena Shomar diskutieren die ingenieurstechnische Rolle der heutigen Biologie: Was sind die Chancen und Grenzen unseres Verständnisses von der Interaktion von Genen, Stoffwechselprozessen und der Umwelt in der mittlerweile längst hochtechnisierten Züchtungsforschung? Zuvor demonstriert Bar-Even die gestalterischen Verfahren, die in der synthetischen Biologie derzeit verwendet werden, um die Pflanzenproduktivität zu optimieren, und wie diese modellierenden Fähigkeiten eine neue Form der Intervention in einer überaus komplexen Natur ergeben. Die Natur vermag es weder in den Millionen von Jahren der Evolution, noch den Tausenden von Jahren in ihrer kultivierten Form der Pflanzenzucht, ingenieurhaft zu agieren. Erst molekular arbeitende Stoffwechselingenieur*innen sindin der Lage, biologische Systeme jenseits der Evolution zu konstruieren und zu modifizieren.
16.15h
Helena Shomar, Sophia Roosth
Fields in Mutation
Präsentation, Gespräch
Wie wirkt sich das Engineering-Paradigma der heutigen, industriell geprägten synthetischen Biologie auf das Konzept dessen aus, was Leben ist? Helena Shomar und die Wissenschaftshistorikerin Sophia Roosth erörtern die gegenwärtigen zeitlichen und konzeptionellen Transmutationen der Essenz des Lebens – als Produkt von Vererbung, Ernährung und Biotechnologie. Shomar zeigt auf, wie die Ingenieurslogik der synthetischen Biologie diese zu einer mächtigen Herstellerbranche anwachsen lässt und wie DNA-Codierung und Zellmanipulation die Technosphäre optimieren. Roosth überdenkt das Konzept von Leben selbst. Sie betrachtet Samen als kondensiertes biologisches Potenzial, das im Wachsen begriffen neue Blüte verspricht. Seeds sind für Roosth sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn latente Lebensformen, die sie anhand von zwei Beispielen für eingefrorenes Leben untersucht: dem Grippevirus von 1918 und dem weltweiten Saatgut-Tresor auf dem arktischen Archipel Svalbard. Lassen sich biologische Zeitlichkeiten und Zukünfte durch Einfrieren umlenken? Kann Kälte die biologische Zeit synthetisieren und neu zusammensetzen?
17h
knowbotiq in Kooperation mit Pablo Alarcón, Nicolas Buzzi, Anna Frei aka Fred Hystère, Angi Nend, Claudia de Serpa Soares
Genesis Machines 2017: La Pompa Agricultura Transsubstantiata
Performance
Die Performance beschwört konstitutive Momente agrarisch-industrieller Technosphären, die unsere Vorstellungen von Körpern und Landschaften radikal verändern. Bioorganischer Vampirismus und nanotechnologische Verwandlungen von Leben bestimmen in der Interpretation von knowbotiq die wissenschaftlichen Alternativen zum ökologischen Missmanagement der Gegenwart. In einer rituellen, audio-visuell unterstützten Mikro-Prozession wird der Mangel an körperlich geprägten Erfahrungen von Verwundbarkeit in synthetisierten Naturen verhandelt. Die Performance thematisiert damit die Suche nach sozialen Orientierungen und Situierungen in den kontingenten Netzwerken von wissenschaftlichen Objekten und ökonomischen Optimierungen, die darauf abzielen, Werte zu erzeugen, die sich nicht auf materielle Ziele beschränken.
Die Performance von knowbotiq wird gefördert von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung.
17.30h
Diskussion
Arren Bar-Even, knowbotiq, Sophia Roosth, Helena Shomar, moderiert von Luis Campos
Wo stehen wir in der technosphärischen Konvergenz des genetischen, ökologischen und biotechnologischen Engineering, das beim Anbau von Nutzpflanzen zur Anwendung kommt? Die Abschlussdiskussion thematisiert die Manipulation genetischer Information im Saatgut und die hochtechnische Modifizierung der „kritischen Zone“ in der Landwirtschaft – agrarindustrielle Landschaften, Gene und Biotech-Laborräume, Datenbanken.