29.8.–26.10.2008

In der Wüste der Moderne

Koloniale Planung und danach

Ausstellung, Film, Performance, Gespräche, internationale Konferenz

Das koloniale Nordafrika wurde ab den 1930er-Jahren zu einem Laboratorium der europäischen Modernisierungsfantasien. Casablanca galt als Testfall für die „Stadt von morgen“, inklusive radikaler Überbauungspläne. Die autogerechte Stadt, die erste Tiefgarage und das grösste Schwimmbad in amerikanischem Stil wurden für „Französisch-Nordafrika“ geplant. Was hier projektiert wurde, sollte Blaupausen auch für die europäischen Metropolen und eine Erneuerung der Lebensformen liefern.

Das Ausstellungsprojekt In der Wüste der Moderne stellt Architekturen und urbanistische Konzepte vor, die in den Ausnahmezuständen kolonialer Verwaltung, beeinflusst durch antikoloniale Befreiungskämpfe und transnationale Migration in Nordafrika und Westeuropa entstanden. Das Beispiel dieser Bauprojekte der 50er- und 60er-Jahre zeigt: Die europäische Moderne wäre ohne Kolonialismus nicht realisierbar gewesen. In der Wüste der Moderne stellt neue Forschungen und wenig bekannte Wechselwirkungen vor: Die moderne Massenbauweise, in Nordafrika erprobt, wanderte an die Stadtränder Westeuropas. Hier entstanden die uns bekannten Vorstädte für Hunderttausende – wobei rund um Paris oder London oftmals auch die Bewohner aus den ehemaligen Kolonien kamen. Die koloniale Geschichte kehrte heim in die Metropole. Umgekehrt wurden die Architekten der europäischen Moderne durch den Aufenthalt im Nordafrika der Befreiungsbewegungen in ihren technokratischen Planungsgewissheiten nachhaltig verunsichert. Sie begannen in Kategorien einer „anderen Moderne“ zu denken. Hier wird der aufhaltsame Gang der Dekolonialisierung deutlich, die noch längst nicht abgeschlossen ist.

Ergänzend zur Ausstellung: Filme, Performances, Gespräche, eine internationale Konferenz und mehr

Selten gezeigte Filme aus Archiven in Paris, Rabat und Berlin sind in der Filmreihe Kleine Pfade, verschränkte Geschichten zu sehen, kuratiert von Brigitta Kuster und Madeleine Bernstorff. Kanak Attak erkundet mit der Performance The Walking Cube die Verknüpfung von Architektur, Macht, Migration und Widerständen. In den Doppelprojektionen von Remember Resistance werden Filme im Kontext von (post)kolonialer Geschichte und ihrer Verdrängung neu gelesen. Dazu kommen die internationale Konferenz The Colonial Modern, eine Sonderausgabe der Zeitschrift An Architektur und das Internetprojekt this-was-tomorrow.net .

Künstlerische Leitung
Marion von Osten

Kuratoren
Tom Avermaete, Serhat Karakayali, Marion von Osten

Institutionelle Partnerschaften
Akademie der bildenden Künste Wien, Architekturfakultät der Delft University of Technology, Casamémoire / Casablanca, CPKC (Center for Post-Colonial Knowledge and Culture Berlin), École Supérieure d’Architecture de Casablanca

Forschungsteam
Tom Avermaete, Serhat Karakayali und Marion von Osten in Zusammenarbeit mit Wafae Belarbi, Madeleine Bernstorff, Jesko Fezer, Brigitta Kuster, Andreas Müller, Daniel Weiss und Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien, der TU Delft und der École Supérieure d’Architecture de Casablanca

Ausstellungsarchitektur und -gestaltung
Jesko Fezer, Andreas Müller und Anna Voswinckel