19.9.–5.10.2008

Doppelprojektionen | Kleine Pfade - Verschränkte Geschichten

Zwei Filmreihen

Film

Doppelprojektionen
Filme neu gesehen und im Kontext von (post)kolonialer Geschichte und ihrer Verdrängung neu “gelesen”. Casablanca : Zu Beginn des Filmklassikers aus dem 2. Weltkrieg könnte man sich auch im heutigen Marokko wähnen – mit Migranten, die sich einer Festung Europa gegenübersehen und Schlepper suchen für den Weg über Portugal in eine Art Sicherheit. 1 Berlin - Harlem : Der 1975 gedrehte Film von Lothar Lambert kann als eine Studie über Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer deutschen postkolonialen Moderne gelesen werden: wie etwa steht es um das Echo des deutschen Kolonialismus angesichts der sexuellen (Befreiungs-)Fantasien, die sich auf schwarze US-amerikanische Soldaten in der westdeutschen Besatzungszone Berlin richten? Fake Soldiers : Für zwei Schwarze Deutsche mit afrikanischem Hintergrund wird die Performance als rappende, coole GIs zur kulturellen Eintrittskarte in die weiße deutsche Gesellschaft.

Ein Programm von Remember Resistance

Dieses Programm wird von der Gruppe Remember Resistance (Jochen Becker, Julien Enoka-Ayemba, Sonja Hohenbild, Brigitta Kuster) kuratiert, einer Initiative, die sich anlässlich der ‚Anticolonial Africa Conference Berlin 2004’ gründete. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht die aktive Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte, dem Prozess der Entkolonisierung und ihrer Nachwirkungen auf die Lebensrealitäten von MigrantInnen. Ein Fokus ihrer Tätigkeit liegt auf den Werken afrikanischer Filmemacher.

Kleine Pfade – Verschränkte Geschichten (Petites ruelles - modernitées croisées)
Eine Filmreihe über das Kino als Ort der Konstruktion und Zirkulation der Modernen in Europa und Nordafrika vor und nach Marokkos Unabhängigkeit 1956.

Gäste:

Aïcha Osfour: Mitarbeiterin und Tochter des Filmemachers, Produzenten und Filmtechnikers Mohamed Osfour (1927 - 2005)

Youssef El Ftouh, Filmemacher, „Le ciné colonial“* (1997), „Le noir des blancs“ (1995) und Kurator der Ausstellung "L'Afrique au regard du cinéma colonial" (Institut du monde arabe 1994, Fespaco 1995)

René Vautier, geboren 1928, Filmemacher des Cinéma militant. Sein rigoroser Einsatz reicht von der bretonischen Resistance über den algerischen Widerstand und die Unterstützung der Bergarbeiterstreiks bis zu vielgestaltigen Kämpfen gegen die Zensur.

Aus den Archiven Centre Cinématographique Marocain (Rabat), Cinémathèque de Bretagne (Brest), Archives de la Planète/Musée Albert Kahn (Paris), Bundesarchiv/Filmarchiv (Berlin), Kansallinen audiovisuaalinen arkisto (ehem. finnisches Filmarchiv Helsinki), Forum des Images (Paris)

Kuratorinnen: Brigitta Kuster, Madeleine Bernstorff
Das Centre Cinématographique Marocain (CCM) in Rabat, Marokko

Fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Manifestes der Unabhängigkeit am 11. Januar 1944 wurde am 9. Januar das Centre Cinématographique Marocain (CCM) unter der Direktion des Franzosen Henri Monjeau, der zudem als Pressechef der "Résidence générale" fungierte, gegründet. Die Aufgabe des CCM sollte nicht nur aus der Distribution und Bewirtschaftung des Filmsektors bestehen, sondern eine marokkanische Filmproduktion in Gang bringen, die, wie der Filmwissenschaftler Abdelkader Benali (Le cinéma colonial au maghreb, Les Editions du Cerf, 1998) es formuliert, den wachsenden Einfluss des ägyptischen Kinos zurückdrängen und die Verbreitung arabisch-islamischer Nationalismen unterbinden sollte. Institutionelles Vorbild war das Centre National du Cinéma (CNC), das unter dem Vichy-Regime entstanden ist.

Der erste Student am Institut des Hautes Etudes Cinématographiques (IDHEC) – der Filmschule in Paris – mit maghrebinischem Hintergrund war Ahmed Belhachmi, der 1958 am CCM nach Henri Monjeau die Leitung übernahm. Ein sehr grosser Anteil der Filmproduktion in den ersten zwölf Jahren nach der Unabhängigkeit Marokkos – vor allem Kurzfilme und Auftragsfilme – fand im institutionellen Rahmen des CCM statt, wohingegen die koloniale Infrastruktur von 350 35mm-Kinos privatisiert worden war. Ab 1958 produzierte das CCM eine eigene Wochenschau. Ausser ein paar wenigen Ausnahmen führte erst die Umstrukturierung der Institution 1977 dazu, dass RegisseurInnen längere Spielfilme in Koproduktion mit dem CCM realisieren konnten. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde mit dem "fonds de soutien" im Rahmen des CCM ein Fördersystem installiert (1987 in den "fonds de l'aide" umgewandelt). Seit dieser Zeit stellt das CCM einen kinematographischen Komplex dar, der Archiv, Kino, Laboratorien, Dreh-Equipment und Tonstudios umfasst, die im gesamten afrikanischen und arabischen Raum als die besten gelten. Seit den 1990er Jahren wird eine Koproduktionspolitik mit Filmen aus Mali, der Elfenbeinküste oder Tunesien verfolgt. So hat etwa die gesamte Postproduktion von "Mooladé" (2003), Sembene Ousmanes letztem Film, hier stattgefunden.

Wir sind dem CCM zu besonderem Dank verpflichtet.