Komplexität
Mit Beiträgen von Alejandra Torres Camprubí (Faculty of Laws, University Autónoma of Madrid), Miriam Diamond (Chemical Engineering and Applied Chemistry, University of Toronto), Andrew Pickering (Science and Technology Studies, University of Exeter). Moderation: Manfred Laubichler.
Komplexität ist ohne Zweifel ein mehr als zutreffendes Attribut des Anthropozäns. Die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Einheiten, Orten, Handlungsinstanzen und Zeiten sind, was den Zustand der heutigen Welt angeht, über das gesamte Spektrum der Fachwissenschaften anerkannt. Es ist inzwischen sogar schwierig geworden, sich ein nicht-komplexes System überhaupt vorzustellen. Probleme werden tendenziell immer vertrackter, Lösungen immer provisorischer und kurzlebiger. Es gibt anscheinend so etwas wie eine Grenze nicht nur des Verstehens, sondern auch der Darstellbarkeit und ihrer Formen überhaupt.
Nichtlineare physikalische Systeme, gesellschaftliche Komplexität, Ko-Evolution sozio-epistemischer Gebilde, ausgefeilte Rückkopplungsverbindungen zwischen Stofflichem und Geistigem, Ökonophysik, Stadtplanung, das ganze postmoderne Babel – tatsächlich klingt in einem großen Teil unserer heutigen Formen von Wissen der Begriff der Komplexität an. Ist eine komplexitätsfeindliche Gegenbewegung denkbar? Wird die Komplexität der Komplexität irgendwann die Sehnsucht nach einfacheren Lösungen und reduktiven oder scharf umrissenen Weltanschauungen nähren? Kann sich Wissen auf Dauer mit nicht optimalen Lösungen begnügen?