Beauty Cuts

von Marie Luise Angerer


Als die französische Künstlerin Orlan sich zu Beginn der 90er Jahre unter das Messer eines Schönheitschirurgen legte, war die Reaktion des Kunstpublikums äußerst ambivalent. Irritierend war nicht nur die Tatsache, dass sie diese Eingriffe als Kunstpraxis inszenierte, sondern auch der Umstand, dass wir - als Zuschauer - dieser Schnitt-Technik ausgesetzt waren. Heute können derartige Operationen als Real-TV, Fernsehserien (z.B. Nip/Tuck, USA2003, True Life, MTV) und in anderen Formaten täglich konsumiert werden. Orlan wollte mit ihren Kunst-Körper-Cuts Geschlechtsidentität als pure Fiktion entlarven. Die Männer und Frauen, die sich heute auf dem OP-Tisch legen, lassen sich Fett absaugen, Vagina und Penis je nach gewünschter Identität formen, Brusthaare entfernen oder Busen verkleinern/vergrößern, Augenlider hochziehen ... reine Alltagsroutine inzwischen. Nicht der Körper ist obsolet (wie das letzte Jahrzehnt des Cyberhypes uns ständig suggeriert hat), sondern die sozio-kulturelle Matrix von Geschlechtsidentitäten ist von einer operativen Schnittpraxis absorbiert worden. Deshalb ist es auch wenig überraschend, dass die weit verbreiteten Essstörungen unter Jugendlichen von der Sucht, sich bis aufs Blut aufzuritzen, schon beinahe abgelöst worden sind. Deutlich zeigt sich in dieser Kooperation von Medien und Medizin, wie Michel Foucaults Gouvernementalität und Gilles Deleuzes Kontrollgesellschaft den Alltagswahn(sinn) strukturieren.