Stille Straße 10 + Assemble

Autoren: Stille Straße 10, Assemble, Wilma Renfordt
Deutsch/Englisch
ISBN 978-3-95905-051-7
EUR 12,00

Erhältlich im Buchhandel, im Shop des Hauses der Kulturen der Welt und online bei Spector Books.

In der Stillen Straße 10 im Berliner Bezirk Pankow führen Senior*innen selbstverwaltet und in Eigeninitiative eine Begegnungsstätte für Jung und Alt. Nachdem 2012 die Schließung und der Verkauf drohten, besetzten die Mitglieder 112 Tage lang das Haus. Bis heute ist die Zukunft des Ortes ungesichert. Das Londoner Architekturkollektiv Assemble hat sich mit den Senior*innen über Gemeinschaftsbildung, bürgerschaftliches Engagement und Wohnen im Alter ausgetauscht und entwirft für Wohnungsfrage ein Wohnkonzept, in dessen Zentrum ein Raum gemeinsamer Aktivitäten steht.

*

2012 besetzte eine Gruppe von Rentnerinnen und Rentnern ihren Freizeittreff in der Stillen Straße 10 in Berlin-Pankow, nachdem das zuständige Bezirksamt den Verkauf des Gebäudes beschlossen hatte. Nach 112 Tagen lenkte der Bezirk ein. Seitdem betreiben die Seniorinnen die Begegnungsstätte in Selbstverwaltung. Ehrenamtlich organisieren sie Freizeitaktivitäten für über 200 Mitglieder. Unterdessen dauert der Kampf gegen die Räumung an, denn das Nutzungsrecht ist nur vorläufig.

Wohnungsfrage stellte der „Stillen Straße“ das Londoner Architekturkollektiv Assemble zur Seite, um die Probleme zu diskutieren, mit denen Senioren angesichts der fortschreitenden Gentrifizierung Berlins konfrontiert sind. In der Praxis von Assemble stehen der Dialog mit den zukünftigen Nutzern und deren Bedürfnisse im Zentrum eines gemeinschaftlichen Entwurfsprozesses. Die Gespräche mit der „Stillen Straße“ machten deutlich, wie unzureichend die konventionellen Ansätze zum Wohnen im Alter sind – gerade vor dem Hintergrund der zersetzenden Wirkung, die steigende Immobilienpreise sowie Kürzungen der öffentlichen Ausgaben auf den Zusammenhalt städtischer Gemeinschaften haben. Nicht nur Senioren mit beschränkten finanziellen Mitteln werden so marginalisiert. Die Mitglieder der „Stillen Straße“ wünschen sich dagegen, autonom zu bleiben und doch innerhalb ihres Viertels Beziehungen aufrechtzuerhalten; über privaten Wohnraum zu verfügen und gleichzeitig Zugang zu gemeinschaftlichen Räumen zu haben.

Die Erkenntnisse der Workshops flossen ebenso in den Entwurf ein wie die Eindrücke von einer gemeinsamen Exkursion zu einer Reihe selbstorganisierter Räume in London. Assemble gestalteten das räumliche Prinzip einer Hausgemeinschaft, die auf Solidarität und Selbstverwaltung basiert und die flexible Anpassung der Wohneinheiten an individuelle Bedürfnisse vorsieht. Das kostengünstige und in Eigenleistung auszugestaltende Haus ermöglicht durch die Kombination von privaten und kollektiv verwalteten Flächen in den Wohnungen eine Anpassung an die jeweilige Lebensphase der Bewohner. Das Modell bietet so eine radikale Alternative zu Wohnformaten, die ältere Menschen vom Rest der Gesellschaft abgrenzen: Es ermöglicht ein zugleich gemeinschaftliches und selbstbestimmtes Wohnen für Menschen jeden Alters.