Martin Wagner: Das wachsende Haus
Text: Martin Wagner
Kommentiert von Tom Avermaete, Franziska Bollerey, Ludovica Scarpa, Tatjana Schneider
Deutsch / Englisch
ISBN 978-3-944669-96-0
EUR 29,00
Erhältlich im Buchhandel, im Shop des Hauses der Kulturen der Welt und online bei Spector Books.
Der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner gründete 1931 die Arbeitsgemeinschaft für ein wachsendes Haus, der u. a. Egon Eiermann, Walter Gropius, Ludwig Hilberseimer, Erich Mendelssohn, Hans Poelzig sowie Hans Scharoun angehörten. Als architektonische Antwort auf die Weltwirtschaftskrise entwarfen sie anpassungsfähige Kleinsthäuser, die nichts außer dem Nötigen und Sinnvollen vorhalten und dazu prädestiniert sein sollten, sich entsprechend der sozialökonomischen Verhältnisse der Bewohner zu verändern. Diese Modelle wurden in Berlin ausgestellt und in der Publikation Das wachsende Haus dokumentiert.
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Auf der Sommerschau Sonne, Luft und Haus für Alle im Jahr 1932 konnte das Berliner Publikum in der Abteilung Das Anbauhaus vierundzwanzig Musterhäuser besichtigen. Der Berliner Stadtbaurat Martin Wagner hatte die prominentesten Vertreter des Neuen Bauens dazu aufgerufen, „wachsende Häuser“ zu gestalten. Er forderte ein Antikrisenhaus, das nichts außer dem Nötigen und Sinnvollen vorhalten und dazu prädestiniert sein sollte, sich entsprechend der jeweiligen sozialökonomischen Verhältnisse der Bewohner zu verändern – ein Gegenmodell zur Kleinwohnung für das Existenzminimum, die den Substandard festschrieb.
Da Wagner überzeugt war, dass die Wohnungsfrage nicht allein architektonisch zu lösen wäre, nutzte er die Dokumentation des Projektes für ein fulminantes und sorgsam durchdachtes Vorwort. Er entwarf eine andere Wirtschaft, eine neue handwerkliche Bauindustrie, aktive naturnahe Wohnformen, Elemente einer modernen Haustechnik, alternative Finanzierungsformen, die Aufhebung des Grundeigentums und – neben wachsenden Häusern – ein neues Bild des Architekten.
Auf radikale und zugleich praktische Weise drang Wagner in das gesellschaftlich-technisch-wirtschaftliche Gefüge des Wohnens ein und faltete über eine Vielzahl von konkreten Lösungsvorschlägen deren Komplexität auf. Indem er die Welt vom Haus her dachte, wies er inmitten der Wirtschaftskrise – die nicht zuletzt eine Krise der Bauwirtschaft war – der Architektur eine zentrale gesellschaftliche Rolle zu. Diesen Möglichkeitsraum einer sehr weitgedachten Gestaltung möchte das hier erstmals wiederveröffentlichte Dokument erschließen, ergänzt durch historische Einordnungen von Franziska Bollerey und Ludovica Scarpa sowie weiterführende Interpretationen von Tom Avermaete und Tatjana Schneider.