Magnus Hirschfeld und das HKW
Das HKW steht heute zu einem Teil auf dem ehemaligen Gelände des von Magnus Hirschfeld, Arzt und Aktivist, ins Leben gerufenem Institut für Sexualwissenschaft. Auch thematische Anknüpfungspunkte im Programm des Hauses verdeutlichen Verbindungen zu Hirschfeld, der mit seinen Ansätzen als Vordenker der Queer Studies gilt. In der Zeit der Jahrhundertwende bis zur Weimarer Republik wirkte Hirschfeld in Berlin als Sexualwissenschaftler und wurde insbesondere durch sein Engagement für die Entkriminalisierung Homosexueller bekannt. 1897 gründete er dazu gemeinsam mit Max Spohr, Eduard Oberg und Franz Joseph von Bülow in Berlin-Charlottenburg das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee. Das Komitee engagierte sich gegen Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellten und gilt als weltweit erste Organisation, die sich für die gesellschaftliche Anerkennung von gleichgeschlechtlicher Liebe und Homosexualität einsetzte. Bereits früh beschäftigte sich Hirschfeld mit Unterschieden zur normierten, binären Geschlechterordnung, u. a. auch als Herausgeber des regelmäßig erscheinenden Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen (1899-1923). Trotz seines Vermächtnisses und der für seine Zeit richtungsweisenden Ansätze in der Sexualforschung, werden Hirschfelds biologistische und eugenistische Thesen heutzutage auch kritisch bewertet.
Das Institut und seine Lage
Das Institut für Sexualwissenschaft wurde gemeinsam von Magnus Hirschfeld und den Ärzten Friedrich Wertheim und Arthur Kronfeld am 6. Juli 1919 eröffnet. Der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewidmet, bildete es eine Anlaufstelle für fundierte Informationen zur Erforschung von Sexualität. Zentrale praktische Aufgaben des Instituts bildeten zudem die Behandlung von Geschlechtskrankheiten, die Ehe- und Sexualberatung sowie Unterstützungsangebote für homosexuelle und transidente Menschen. Das Institut entwickelte sich zu einem Zentrum der internationalen Homosexuellenbewegung und setze sich für gesellschaftliche Ankerkennung ein. Popularität erlangte das Institut zudem durch die Erstellung von Gutachten in Prozessen zu amtlichen Geschlechts- und Namenänderungen von intergeschlechtlichen Personen.
Das Institutsgebäude lag zentral im Berliner Stadtteil Tiergarten an der damaligen Ecke Beethovenstraße 3/In den Zelten 10. Im Rahmen des HKW-Projekts Wohnungsfrage untersuchte die Künstlerin Maria Eichhorn das heutige Areal rund um das HKW und des ehemaligen Instituts für Sexualwissenschaft sowie dessen Plünderung und Enteignung im Zuge der sich intensivierenden nationalsozialistischen Repressionen nach der Machtergreifung 1933. Nach der Zerstörung der Institutsgebäude im Zweiten Weltkrieg begann im Jahr 1956 auf einem Teil des ehemaligen Institutsgrundstücks der Bau der Kongresshalle, die seit 1989 durch das HKW genutzt wird.
Hirschfeld Bar und queere Themen am HKW
Magnus Hirschfeld war aufgrund seiner jüdischen Identität zunehmend Bedrohungen ausgesetzt, lebte ab 1930 im Exil und starb 1935 in Nizza. Im Zuge von Wohnungsfrage wurde der Sexualwissenschaftler zum Namensgeber der Hirschfeld Bar im HKW. Auch durch das Aufgreifen von unterschiedlichen aktivistischen Ideen und Ansätzen des Sexualwissenschaftlers macht das HKW in seinen Projekten das räumliche und historische Erbe Hirschfelds sichtbar. In seinem Programm setzt sich das Haus für die Sichtbarkeit unterschiedlicher Lebenswelten ein und macht auf Marginalisierungsprozesse aufmerksam. Darüber hinaus möchte das Haus auch eine Plattform für Partnerveranstaltungen bieten, die sich mit queeren und nicht-normativen Lebensweisen beschäftigen, wie u.a. der internationalen LGBTIQ*-Konferenz Queering Memory. Archives – Arts – Audiences. Seit 1992 setzt sich auch die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V. für die Auseinandersetzung mit Hirschfelds wissenschaftlichem Erbe und der Geschichte der Sexualwissenschaften auseinander.