Vortrag und Diskussionen
Deutschlands Muslime und europäischer Islam
Auch nach Jahren der Diskussion um Migration und Integration bilden „die Deutschen“ und „die Muslime“ in der öffentlichen Wahrnehmung scheinbar ein Gegensatzpaar. Eine plurale Gesellschaft aber muss eine historisch, soziologisch und kulturell fundierte Auseinandersetzung über „den Islam in Deutschland“ führen, die zeitgenössische europäische Formen des Islam einbezieht.
19 h Die Muslimisierung des Anderen (Deutsch)
Der erste Teil der Veranstaltung widmet sich den aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten in Deutschland. Muslime und als solche Markierte sehen sich permanent gezwungen, sich zu der ihnen zugeschriebenen Zugehörigkeit zu verhalten. Dient „der Islam“ als negative Projektionsfläche für eine veraltete nationale Identität? Der Politiker Cem Özdemir, die Journalistin Hilal Sezgin, die türkische Schriftstellerin Sema Kaygusuz, Fellow des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, und Sawsan Chebli, Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Senatsverwaltung Berlin, stellen sich der Frage, warum der Streit um den Platz des Islam in Deutschland und Europa gerade jetzt entbrennt.
Moderation: Caroline Fetscher (Der Tagesspiegel).
20.30 h Islam in Europa (Simultanübersetzung englisch/deutsch)
hier werden historische und religiöse Perspektiven auf den Islam in Deutschland und Europa diskutiert. Tariq Ramadan, Islamwissenschaftler und einer der führenden Intellektuellen unserer Gegenwart, steht in seinem Eröffnungsvortrag für einen europäischen Islam ein. Im Anschluss kommentieren der Historiker Dan Diner und die Islamwissenschaftlerin Gudrun Krämer im Gespräch seine Thesen.
Einführung: Susanne Stemmler, Haus der Kulturen der Welt
Eine Veranstaltung des Hauses der Kulturen Welt in Kooperation mit der Allianz Kulturstiftung und dem Berliner Künstlerprogramm des DAAD
Präsentiert von:
Kurzbiografien
Sabine Adatepe lebt als Publizistin und freie Literaturübersetzerin für Türkisch in Hamburg. Sie war u.a. an der Reihe „Türkische Bibliothek“ (Unionsverlag 2005-2010) beteiligt und hat zuletzt 'Hauptsache ein Ehemann' von Hatice Meryem (Orlanda Verlag 2010) übersetzt. Bei literarischen Veranstaltungen moderiert, liest und dolmetscht sie.
Sawsan Chebli hat an der Freien Universität in Berlin Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt "Internationale Beziehungen" studiert und arbeitete sechs Jahre im Deutschen Bundestag als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Seit 2007 ist Sawsan Chebli Mitglied im Körber Netzwerk Außenpolitik der Körber Stiftung. Im Jahr 2009 wurde sie als Associate Fellow in die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik aufgenommen. Sawsan Chebli ist Mitgründerin der Deutsch-Arabische Freundschaftsgesellschaft und zur Zeit als Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Berlin tätig.
Dan Diner wurde 1946 in München geboren. Er ist Professor für Neuere Geschichte an der Hebrew University, Jerusalem, und Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Zahlreiche Buchveröffentlichungen zur politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, zur Geschichte des Vorderen Orients und zur jüdischen Geschichte.
Aktuelle Publikationen: 'Zeitenschwelle. Gegenwartsfragen an die Geschichte' (2010), 'Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust' (2007), 'Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt' (2005).
Caroline Fetscher studierte nach ihrer Journalistenausbildung an der Henri-Nannen-Schule Literaturwissenschaft und Psychologie in Freiburg und Hamburg. Von 1982 bis 1989 arbeitete sie für Greenpeace (u. a. Chefredakteurin des Greenpeace-Magazins). Ab 1980 war sie als Publizistin u.a. für Spiegel, Geo, SZ, taz, MERKUR und FR tätig. Seit 1997 ist Caroline Fetscher Mitarbeiterin beim Berliner Tagesspiegel. Zu ihren Themenschwerpunkten gehoeren: Menschenrechte, insbesondere Schutz von Minderjaehrigen, Suedosteuropa, Den Haager Tribunal, Gender-Fragen, transatlantische Beziehungen und kulturpolitische Fragen.
Sema Kaygusuz, geboren 1972 in Samsun, studierte von 1990 bis 1994 in Ankara, wo sie auch Theater spielte und für den Rundfunk arbeitete. Sie veröffentlichte mehrere Bände mit Erzählungen, die mit Preisen bedacht wurden, bevor 2006 ihr erster Roman Wein und Gold erschien und überaus lobend aufgenommen wurde. 2007 veröffentlichte Sema Kaygusuz eine Studie über ethnische und religiöse Diversität in der Türkei, ein Thema, das auch für ihr literarisches Schreiben von großer Bedeutung ist. Heute lebt sie in Istanbul, wo sie unter anderem Kreatives Schreiben lehrt. In ihrer Heimat gilt die junge Autorin laut einer Umfrage der Zeitschrift Notos als eine der größten schriftstellerischen Hoffnungen.
Gudrun Krämer, geboren 1953 in Marburg, ist Professorin am Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin und Direktorinder Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies. Studium der Geschichte, Islam- und Politikwissenschaft sowie der Anglistik in Heidelberg, Bonn und Sussex (GB), Promotion und Habilitation in Hamburg. Gastdozenturen in Bologna, Paris, Erfurt, Kairo, Jakarta und Beirut. Gudrun Krämer ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Ehrendoktor der Tashkent Islamic University und Mitherausgeberin der Encyclopaedia of Islam Three. Preisträgerin des Internationaler Forschungspreis der Gerda Henkel Stiftung 2010.
Aktuelle Publikationen: 'Hasan al-Banna' (2010), 'A History of Palestine' (2008), 'Speaking for Islam. Religious Authorities in Muslim Societies' (Hg. mit Sabine Schmidtke, 2006).
Cem Özdemir, geboren 1965 in Bad Urach (Kreis Reutlingen), verheiratet, zwei Kinder, ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Neben der Behandlung ökologischer und ökonomischer Fragen im Rahmen eines „Green New Deal“ gilt die besondere Aufmerksamkeit des Politikers und Diplom-Sozialpädagogen dringend notwendigen bildungspolitischen Reformen. Daneben ist Cem Özdemir auch publizistisch tätig. In seinen Büchern 'Currywurst und Döner - Integration in Deutschland' und seiner Autobiographie 'Ich bin ein Inländer' spiegeln sich seine multikulturellen Erfahrungen in Deutschland wider. 2008 erschien sein Jugendbuch 'Die Türkei. Politik. Religion, Kultur'.
Tariq Ramadan ist Professor für Contemporary Islamic Studies an der Oxford University (Oriental Institute, St Antony's College). Er studierte Philosophie und französische Literatur und promovierte in Arabistik und Islamwissenschaft an der Universität Genf. Der Islamwissenschaftler gilt als einer der führenden Intellektuellen unserer Gegenwart und als Vordenker eines europäischen Islam. Schwerpunkte seiner auch außer-akademischen Arbeit beziehen sich auf Theologie, Ethik, soziale Gerechtigkeit, Ökologie und interreligiösen sowie interkulturellen Dialog. Tariq Ramadan ist Präsident des europäischen think tank „European Muslim Network“ (EMN) in Brüssel.
Aktuelle Publikationen: 'The Quest for Meaning, Developing a Philosophy of Pluralism (2010), 'What I believe' (2009), 'Radical Reform, Islamic Ethics and Liberation' (2008).
Hilal Sezgin, geboren 1970, studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete danach mehrere Jahre lang im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Publizistin in der Lüneburger Heide und schreibt u.a. für die ZEIT, die Frankfurter Rundschau, die Berliner Zeitung und die taz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind dabei Philosophie, Islam, Migration, Feminismus und Tierethik. Sie veröffentlichte Sachbücher über türkischstämmige Frauen in Deutschland sowie über moderne Lesarten des Korans. Hilal Sezgin ist regelmäßige Autorin des Islamischen Worts beim SWR und Mitglied des Liberal-Islamischen Bundes. Kürzlich wurde Sezgin mit dem European Muslim Women of Influence Award 2010 geehrt.
Aktuelle Publikationen: 'Mihriban pfeift auf Gott' (2010) und 'Landleben' (im Erscheinen).