Lecture
Stefan Weidner
(Frustrierte) Revolte und (anti-islamische) Revolution
Die globale existenzielle Unsicherheit hat spätestens seit der Finanzkrise 2008 auch Mitteleuropa erfasst. Aber eine Revolte gegen die Demokratie scheint keine Option, und die Kräfte der Globalisierung sind kaum konkret fassbar. Doch Wut, Angst und Frustration drängen zum Ausdruck.
Eine der besten Projektionsflächen dafür bietet der Islam. Selbst in der größten Krise seiner Geschichte befindlich, ist er dafür ein dankbares Opfer. Zwischen hausgemachtem Fundamentalismus und abendländischer Islamophobie werden die Muslime selbst und ihre historisch gewachsene Kultur zur Karikatur nach dem Bild der Extremisten auf beiden Seiten. In welchen rhetorischen Mustern äußert sich dieses aus einer diffusen Wut geborene Islambild? Wie kommt es, dass die anti-islamische Bewegung immer mehr Anhänger findet, besonders unter Gebildeten und gut situierten Älteren, die von der herrschenden ökonomischen Unsicherheit am wenigsten betroffen sind? Droht Europa womöglich ein anti-islamischer Faschismus der Aufklärung?
Stefan Weidner ist Übersetzer, Autor und Journalist und als Vermittler arabischer Kultur in Erscheinung getreten. Weidner studierte Islamwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Göttingen, Damaskus, Berkeley und Bonn. Seit 2001 ist er Chefredakteur der Zeitschrift Fikrun wa Fann, die vom Goethe-Institut herausgegeben wird und zum Dialog zwischen westlicher und islamisch geprägter Kultur beitragen soll. Zuletzt erschien von ihm im Verlag der Weltreligionen: "Manual für den Kampf der Kulturen. Warum der Islam eine Herausforderung ist". Im Wintersemester 2009/2010 hat er die Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der FU Berlin inne.