Konzerte
Neuseeland
Neuseeland ist zumindest für das europäische Empfinden das wohl europäischste Land im pazifischen Raum. Auf die Distanz zu Australien und die signifikanten kulturellen Unterschiede – wie den härteren Football und die erfolgreichere Integration der Ureinwohner – wird großen Wert gelegt. Die Musikszenen sind außerordentlich gut informiert, dabei klein und untereinander gut vernetzt – denn Clubs sind nach wie vor rar. „Jeweils zwei oder drei in Wellington und Auckland, und einer noch in Christchurch“, schätzt Hans Nieswandt. „Jeder kennt jeden, und es kommt auch zu viel Interaktion. Trotzdem haben dort alle Musiker ein sehr klares Profil.“ Er nennt zwei Haupteinflüsse auf die dortige Clubmusik als entscheidend: zum einen Funk im Stil von Prince und George Clinton, wie er durch den Zuwanderer Recloose repräsentiert wird und der wohl für die hohe Dichte an großen und versierten Livebands mitverantwortlich ist. Die Erfolgreichste von ihnen, Fat Freddys Drop, vereint diese Tugend mit der zweiten wichtigen Säule: Seit dem Besuch von Bob Marleys „Babylon By Bus“-Tour ist Reggae zum Soundtrack nicht nur der Maori-Jugend geworden. Erfolgreiche Künstler wie Jah'Licous, Nomad, Brother J oder die Black Seeds stehen für die pazifische Version dieser international ungeheuer anschlussfreudigen Musik aus Jamaika. Aber auch Minimal Techno und Elektro/New Wave wird hier verstanden und produziert. Für Disasteradio und Simon Flower (der bereits 2006 Europa bereiste) ist dieser Besuch in Deutschland, Heimat von Krautrock, Kraftwerk und Kompakt-Techno so etwas wie eine Reise ins Mutterland. Durch den Abend führt der Radiomoderator und DJ Nick Dwyer, eine wandelnde Enzyklopädie für Musik aus Neuseeland und rund um den Globus.
Disasteradio
Während viele Synthesizerbands heutzutage auf möglichst alte und teure Geräte schwören, hat sich Luke Rowell alias Disasteradio, dessen erste musikalische Gehversuche auf einem C64 stattfanden, von vornherein für den umgekehrten Weg entschlossen: Er benutzt prinzipiell das neueste und billigste Equipment, und bevorzugt für die digitale Finalisierung seiner Tracks frei verfügbare Shareware. Und auch wenn die Wurzeln seiner Musik eindeutig in der Zeit liegen, als Anrufbeantworter noch das telekommunikative Nonplusultra darstellten – New Wave der glitzernden Vocoder-Periode, ist er in der Verbreitung seiner Musik ähnlich pragmatisch. Drei frei herunterladbare Alben führten zu mittlerweile mehr als 200 Auftritten, Filmmusiken und Radiopräsenz in Neuseeland und Übersee. Dies ist seine erste Konzertreise nach Deutschland.
Simon Flower
Simon Flower begann elektronische Musik zu produzieren, als der Gerätepark noch aus leidlich synchron laufenden Analogmaschinen bestand. Heute produziert er auf der weltweit beliebten Software Reason und ist dennoch einem vom frühen Detroit Techno und dem Technodub von Basic Channel berührten, geradlinigen, „furchtbaren, schluppenden Sound“ treu geblieben, den er einst als DJ für sich entdeckte. „Im Moment liebe ich es, Clubmusik zu machen, nachdem ich Jahrelang Club-DJ war und nichts als langsame, tiefe Stücke produziert habe. Nun habe ich das DJing aufgegeben, und mache lauter Clubtracks. C’est la vie.“ Die werden mittlerweile nicht nur vom neuseeländischen Label Curl Curl, sondern auch von respektierten Euro-Labels wie Poker Flat und Compost Black Label veröffentlicht.
Nick Dwyer
Nick Dwyer ist als Radio-DJ auf FM 95 nicht nur ein Motor der neuseeländischen Musikszene und so etwas wie ein John Peel Süd: Er ist ein global werkelndes Worldtronics-Festival auf zwei Beinen: „Dynamo and Brainbox“ („Sunday Star Times“, NZ), ein Workaholic, der als Kind Japanisch lernte, um eine japanische Nintendo-Konsole bedienen zu können, heute weder Auto fahren noch kochen kann, aber rastlos den Globus bereist und Informationen aufsaugt wie ein Schwamm. Für die TV-Sendung „Making Tracks“ reiste er von Auckland in die Favelas von Rio de Janeiro, von Kingston nach Kalkutta, und ließ überall neuseeländische Hits von lokalen Musikern vertonen. Material, das todsicher in sein DJ-Set einfließen wird.
Recloose
Wenn Nick Dwyer von diesem „phänomenalen NZ-Live-Ding“ redet, dann meint er auch das achtköpfige Ensemble um Matthew Chicoine alias Recloose. Das Nomadendasein des gebürtigen US-Amerikaners begann in Detroit auf dem Label Planet E, dann auch im Innerzone Orchestra seines Idols und Entdeckers, des Technokraten Carl Craig. Mittlerweile ist Recloose nach Neuseeland übergesiedelt und hat seine Musik in Richtung P-Funk ausgebaut. Sein jüngstes Album „Perfect Timing“ erschien in diesem Jahr auf dem Berliner Label Sonar Kollektiv.
Lineup: Hans Nieswandt