Transient Witness(es)

Assaf Gruber

Videostill aus Transient Witness (2021), © Assaf Gruber, 2021

Die Arbeit von Assaf Gruber entstand im Kontext von The Whole Life. An Archive Project und ist Ergebnis seiner fortlaufenden Auseinandersetzung mit den Überschneidungen von Politik, Kunst und ihren Institutionen. Die filmische Rauminstallation macht menschliche Geschichten und sich wandelnde ideologische Maßstäbe am „back-end“ von kulturellen Institutionen sichtbar.

Der Film Transient Witness lässt das Intime und das Öffentliche ineinanderfließen und verschleiert ihre Übergänge in einer Geschichte, in der Sammeln und Aneignen als Synonym fungieren und Erbe und Verlust ineinandergreifen. Der Film entfaltet die komplexe Geschichte, indem er sich in den Zwischenräumen von historischen Fakten über Barock und Avantgarde, Kunst und Politik bewegt. Ein fiktiver Plot erzählt den Transfer von Objekten aus dem Berliner Haus des Avantgarde-Sammlers Egidio Marzona in ihr neues Domizil, das Japanische Palais, ein Rokoko-Gebäude der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Tatsächlich wurde die umfassende Sammlung nach der Schenkung von Egidio Marzona an die SKD überstellt. Dort ist sie heute als Archiv der Avantgarden (AdA) bekannt. Die Geschichte wird aus der Perspektive von drei Charakteren erzählt: Christina, der Managerin der Sammlung, Maurizio, dem Kunsttransporteur, und Präsens, dem Hund des Sammlers. Der Film spielt am 25. November 2019. An diesem Tag wurden bei einem der größten Kunstdiebstähle der Geschichte Juwelen von unschätzbarem Wert aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlen. Der Juwelendiebstahl löste in Deutschland eine Schockwelle aus.

Die Skulptur Präsens vereint in abstrakter Form die Parallelen und Unterschiede von Barock und Avantgarde, wie sie sich in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wiederfinden. Die Hauptinspiration lieferte dabei die auffällige Präsenz seltener roter Korallen in der Sammlung des Grünen Gewölbes. Das berühmteste Rote-Korallen-Objekt ist eine in den späten 1580er Jahren vom Silberschmied Abraham Jamnitzer gefertigte Statue der griechischen Nymphe Daphne. Nach ihr wurde auch die zentrale digitale Datenbank der SKD benannt. Der untere Teil von Grubers Skulptur ist aus versilberter Bronze gefertigt und erinnert an Korallen – Lebewesen, die seit Jahrhunderten geplündert werden, um als wertvolle Luxusobjekte wirtschaftliche und politische Macht zu repräsentieren. Der obere Teil von Präsens ist aus bemaltem Holz und hat die Form jener berühmten Sichel, die das Symbol der Bolschewiki und das Staatssymbol der Sowjetunion war und in vielen Kunstwerken der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts von Künstler*innen wie etwa El Lissitzky eingesetzt wurde.

Die Fotoserie Movement entstand im Grünen Gewölbe mit einer Auswahl von Fotos aus dem Archiv der Avantgarden (AdA). Sie kombiniert Bilder von Demonstrationen und Protesten linker Gruppen in Westdeutschland mit echten Korallen aus dem Grünen Gewölbe. Die Fotografien, aufgenommen in der Zeit vom Bau der Berliner Mauer 1961 bis 1989, dokumentieren Solidarität mit dem Osten und Widerstand gegen die westliche Welt. In Grubers Arbeit wechseln diese Aufnahmen und den Korallen ihre Plätze, sind abwechselnd Hauptaugenmerk und Hintergrund und stehen dabei ständig miteinander im Austausch – in einer Bewegung, die für die paradoxen Bedeutungen, Schatten und Narben steht, die sich im Inneren wie im Äußeren von Archiven und Sammlungen finden.

Transient Witness, Video, Deutsch und Italienisch, 47 min, 2021
Präsens, Skulptur, versilberte Bronze, Holz und Farbe, 74 cm x 44 cm x 16 cm, 2022
Movement, Fotoserie, Dimensionen variabel, 2022

Credits

Transient Witness entstand in Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt (HKW) als Teil von The Whole Life: An Archive Project und wurde gemeinsam mit Krieg (PXL-MAD School of Arts, Hasselt) und dem Center for Contemporary Art (CCA) Tel Aviv produziert sowie von der Foundatión Botín, Outset and Artis unterstützt. Das Skript entstand während Assaf Grubers Forschungsstipendium am Archiv der Avantgarden (Staatliche Kunstsammlungen Dresden).

Schauspieler*innen: Anne Ratte-Polle, Michele Andrei und Sabine Wackernagel
Produktion: Caroline Kirberg und Assaf Gruber
Kamera: Frank Meyer
Licht: Theo Lustig
Ton: Frank Bubenzer
Sound Design & Mischung: Jochen Jezussek
Szenen- und Kostümbild: Sara Wendt
Maskenbild: Rama Al Rached
Schnitt: Assaf Gruber und Dane Komljen
Regieassistenz: Moriya Matityahu
Buch und Regie: Assaf Gruber