TRIBUNALS - She*- Mangrove Archives

Nathalie Anguezomo Mba Bikoro

Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, TRIBUNALS-She*-Mangrove Archives, 2022, Courtesy the artist

TRIBUNALS - She*-Mangrove Archives ist eine Reihe fiktiver Gerichtsverfahren. Die Interventionen stützen sich auf Bündnisse zwischen den Lebenden und den Toten als Vorschläge für eine transformative Justiz. Die Fälle basieren auf der Recherche in Kriminalakten und sind eine Beobachtung institutioneller Archivlöschungen. Wie werden Geschichten neu geschrieben, insbesondere im Widerspruch zu individuellen Erfahrungen von Opfern und Angeklagten? Wie kann eine transformative Justiz vollzogen werden, wenn die Gerichte weiterhin auf kolonialen Gesetzen basieren?

Das temporäre Setup der Soundinstallation gibt einen Überblick über tatsächliche und fiktionale Fälle in Bezug auf unberücksichtigtes Archivmaterial – individuelle Erfahrungen und mytho-fiktionale Biografien. Die Installation bewegt sich innerhalb und außerhalb des juristischen Sprachgebrauchs und stellt Formen ästhetischer Gegenerzählungen vor, die Menschenrechtsverletzungen durch Invokationen und unberücksichtigte Zeugnisse transformieren. Unbeachtete Stimmen und Aussagen versammeln sich vor einem Gericht, um zu fragen: Wer soll für die Gewalt und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden?

Der Schwarze Philosoph Gauthier Tancons aus Guadalupe sagt, dass der Prozess des Verlassens des Systems hin zu einem dekolonialen Moment die Gegenwart beeinflusst, jedoch in einem dunklen Raum verborgen bleibt. Diesen dunklen Raum bezeichnet er als Mangrove – ein unsicheres Terrain mit schwankenden Böden und weitab von festem Untergrund. Der dekoloniale Raum ist eine ständige Bewegung durch die Gegenwart und ihre eigenen auferlegten Erzählungen von Unrechtssystemen, vor denen der unterdrückte Körper ständig flieht. Diese Flucht wird durch sein eigenes Imaginäres reflektiert und von einer Praxis der Suche nach seinen eigenen Archiven begleitet.

Die zahlreichen im Rahmen der Arbeit verhandelten Fälle stellen eingestellte oder unabgeschlossene Verfahren dar, unter anderem von Luke Collingwood, Jesko von Puttkamer und Ralph Zürn, Täter im kolonialen System des Menschenhandels und Totschlags; Kaera Kahitjene Ida Getzen, der ersten Herero-Frau in Namibia, die 1899 ein sexuelles Missbrauchsverfahren gegen Frekkie Getzen vor ein deutsches Gericht brachte; den ersten Prozess für die Arbeitsrechte Schwarzer Angestellter in Deutschland von Mdachi bin Sharifu; den Fall von Tamara Lanier, die wegen Urheberrechtsverletzungen bei der Verwendung einer Fotografie ihres Vorfahren Renty Klage gegen die Harvard University einlegte; die 1951 von Paul Robeson initiierte UN-Petition „We Charge Genocide“; sowie die laufenden Prozesse um die Morde an Rita Awour Ojunge und Oury Jalloh.

Nathalie Anguezomo Mba Bikoro

Fünf-Kanal-Soundinstallation; speziell angefertigte Tonkabine, zwei Video-Flachbildschirme, Farbbildtafeln, Seidenstoffe, Wandteppich, 2022