Shangri-La

Shangri-La

„Shangri-La widmet sich der Suburbanisierung der asiatischen Seele und ihrer Fähigkeit, den Planeten wie eine Seuche heimzusuchen.“


Interview mit Michael Joo:

geboren in Ithaca (NY), USA, lebt und arbeitet in New York (NY), USA

„Meine Abstammung habe ich damals kaum hinterfragt, doch da ich mit ihr aufwuchs, war mein Leben gewissermaßen eine Parallelerfahrung, in einer Migrantenfamilie und mit Eltern, die nun einmal Wissenschaftler waren. So ergab sich eine Mischung, in der Sprache eine sehr große Rolle spielte.“


SM: Kennzeichnend für Ihr Werk sind Bezüge zur koreanischen Kultur, zu Lebensmitteln, zu Vorstellungen von der Übertragbarkeit von Macht oder Natur und zu un- oder übernatürlichen Vorkommnissen.

MJ: Ja, das stimmt. Es ist eine Mischung und genau darum ist es schon immer gegangen: nicht um Gegensätze – das wäre zu polarisierend – sondern um eine Vermischung sehr komplizierter, jedoch ausgewogener und verflochtener Wahrnehmungen. Meine Arbeiten sind durchgängig autobiografisch, alles ist aus Erfahrungen und Beobachtungen abgeleitet. Ich habe das bisher noch nie so deutlich gesagt, doch wahrscheinlich liegt darin die deutlichste Verbindung zwischen meiner Arbeit und der Sprache der Wissenschaft oder einer wissenschaftlichen Arbeitsweise: Alles beruht auf Beobachtung, gelangt jedoch nicht notwendigerweise zur Darstellung. Als ich noch klein war, wurde bei uns zu Hause Ahnenkult betrieben. Mein Vater war ursprünglich Buddhist und meine Mutter Christin, sie kam aus dem Norden, er aus dem Süden. Wir praktizierten den Ahnenkult, bis die christlichen Anteile meiner Mutter ihn als zu heidnisch empfanden und er aus dem Haushalt verbannt wurde. Das führte letztendlich dazu, dass mein Vater sich mehr und mehr dem Christentum annäherte, aber daneben waren bei uns auch noch Buddhismus und Konfuzianismus präsent. Besonders paradox erschien mir, dass meine Eltern als Wissenschaftlerinnen trotzdem voll und ganz auf Naturheilkunde vertrauten; sie brachten heimlich Pilze aus Korea mit und bereiteten daraus Tee, den sie über Nacht oder gar 24 Stunden lang ziehen ließen; das ganze Haus stank dann danach. Mein Vater zerließ Bärengalle und nach der Schule oder dem Fußballtraining saß ich dann im Unterhemd auf der Couch, sah fern und aß dabei tatsächlich dieses unglaublich bizarre Tierorgan …

SM: Aber entspricht das nicht ganz der seltsamen, paradoxen Lebenswirklichkeit Asiens, wo man als Muslim geboren werden kann, jedoch in die Kirche geht und an Tempelfesten teilnimmt, ohne sich dabei im geringsten einer Verhöhnung oder Grenzübertretung schuldig zu machen?

MJ: Ganz genau! Ich erwähne diese Dinge nicht, weil ich sie faszinierend oder bemerkenswert fände oder weil ich sie für im Kern bedeutsam hielte. Es gibt sie einfach. Sie stellen für Asien ganz selbstverständliche, autobiografische Bezüge dar.

SM: Und auch recht organische.

MJ: Ja, organisch – das ist ein interessanter Ausdruck dafür. Das erinnert mich an Ihre Frage zu New York als einem Raum, der durch vielfältige Beziehungen gekennzeichnet ist. Ich glaube, das beruht besonders auf den Realitäten, an die die Menschen innerhalb ihrer eigenen Kulturen gewöhnt sind. Hier etwa wurden um die AmerikanerInnen koreanischer Herkunft unsichtbare Barrieren errichtet, die das Denken der Leute beeinflusst und geformt haben, ganz ähnlich, wie es vielleicht bei der Berliner Mauer der Fall war. Ich denke also, wir sind in Bezug auf globale und internationale Realitäten dabei, aufzuholen. Das ist es, was mich in gewisser Weise interessiert. Durch die Möglichkeit zu reisen verlieren die jeweiligen Parameter zunehmend an Bedeutung – denn, wissen Sie, es gibt hier eine wachsende Mittelschicht und Migranten können an zwei Orten zugleich leben. Sie können sich die Hälfte der Zeit hier aufhalten und den Rest in ihrem Herkunftsland – beispielsweise Korea – verbringen. Die Flugverbindungen nach Korea sind inzwischen sehr gut. Es ist verrückt, wer da alles mit von der Partie ist. Diese Menschen werden ein Viertel oder die Hälfte ihrer Zeit in ihren Heimatländern verbringen, und das ist völlig neu für New York.


Aus einem Interview, das von Shaheen Merali im Oktober 2006 in New York geführt wurde.