Design and Desires

Design and Desires

„Design and Desires nützt den metaphorischen Raum, der von den Schlüsselerzählungen der wichtigsten Protagonisten der New Yorker Kunstszene eröffnet wurde. Nach der Rezession in den Achtzigern und im Gefolge der von Marcia Tucker initiierten Decade Show ergab sich die Möglichkeit, endlich einen umfassenderen Blick auf die Kunstszenen der Stadt zu werfen.“


Interview mit Carolee Schneemann:

geboren 1939 in Fox Chase (KY), USA , lebt und arbeitet in New York (NY), USA

„Es begann schon sehr früh, als ich vier Jahre alt war. Ich fing an, auf den kleinen Rezeptblöcken meines Vaters zu malen. Die Zeichnungen zeugten von Besessenheit, jeder kleine Zettel wurde zu einer Einleitung für die nächste Seite. … Es ist eine ziemlich lange Geschichte. Ich nahm das Geld, das ich fürs Babysitten bekam, fuhr fast eine Stunde bis nach New York City, wo es ein Museum gab. Ich spazierte durch das Museum, geriet dabei ins Untergeschoss, bemerkte diesen berauschenden Geruch und hatte nur noch das Gefühl, gleich umzukippen. Ich stellte fest, dass es Ölfarbe war, in einem Raum malten Leute auf Staffeleien und schauten sich irgendwelches Obst an. Und der Kursleiter fragte mich, ob ich nicht hereinkommen wollte.“


SM: Wenn man Ihre Praxis beschreiben müsste, wäre es sehr verlockend, Sie als Performancekünstlerin zu charakterisieren.

CM: Das ist in zweierlei Hinsicht falsch. Erstens habe ich keine Praxis, sondern eine Vision. Ich praktiziere nicht. Ich weiß, Sie finden das Wort hilfreich, aber ich verwende den Begriff nicht gern.

SM: Warum nicht?

CS: Damit wirft man lediglich alles in einen Topf. Ich stehe nicht in der Tradition irgendeiner Kunstpraxis. Das Wort „Praxis“ klingt irgendwie sehr einengend. Ich habe keine Karriere. Und ich verabscheue Performances. Ich bin Malerin: eine Malerin, die ins Räumliche vordringt und Multidimensionalität einsetzt, so rigoros es geht, ausgehend von den gegebenen Möglichkeiten, Raum als Zeit zu verwenden und Zeit als Raum zu erkunden. Natürlich hat das, was man „Performance“ nennt, mir ermöglicht, Elemente zu integrieren, die ich bereits davor nie für unpassend gehalten hatte, wie zum Beispiel die Einbeziehung des menschlichen Körpers in ein kunsthistorisches Konstrukt aus Kollage und Prädimensionalität, das die Frage nach dem weiblichen Körper – den ich wohl auch für mich in Anspruch nehmen darf – als Gegengewicht zu ererbten Traditionen in Position bringt. In der Lage zu sein, Text zu verwenden, gleichzeitig Musik einfließen zu lassen. Ich nenne das, was gemeinhin als „Performance“ bezeichnet wird, kinetisches Theater, obwohl das auch kein guter Begriff ist. Ich habe mich immer mit dem Wort „Performance“ herumschlagen müssen, wie „Praxis“ hat es eine einengende Tradition.

SM: Es ist ein Ausdruck, der sich als Bezeichnung für Live-Kunst etabliert hat.

CS: Ja. SM: Und wie beschreibt dieser Begriff Ihre Aktivitäten auf eine treffende Weise, oder finden Sie das auch problematisch?

CS: Ich finde ihn lebendiger und passender für die Geschichte von Happenings, Fluxus, Body Art – all die unterschiedlichen Genres, die aus irgendeiner Form von „Performance“ hervorgegangen sind. Ich mag Live-Kunst – zum Teil, weil sie ungeschliffen ist, sie hat jedoch nicht die gleichen Anliegen: Vorstellungen wie Perfektion, Wiederholbarkeit, einzubringende Fähigkeiten, das Spiel mit Sexualität und vor allem die Idee einer Zirkusvorstellung sind ihr fremd.

SM: In gewissem Sinne wollen Sie also weg von diesen technischen Detailfragen?

CS: Ja, das stimmt. Aber sie sind Teil der Geschichte jener KünstlerInnen, die mich beeinflusst haben. Wir waren betroffen von der um sich greifenden Materialität, die gegen Schauspielperformances ins Feld ge führt wurde. Obwohl man so Furore macht.

SM: Ganz genau. Michael Fry spricht von dieser Idee. Auf eine seltsame Art spricht auch Thomas McEvilley davon, materielle Kulturgüter in Szene zu setzen. Heutzutage nennen wir das Installationskunst. Es gibt also eine Art von Ethnizität oder eine Identität, die dem eigen ist, was wir von einer Kultur in die andere tragen, all die Räume werden am Ende zu schmucklosen Ausstellungsorten, solchen „White Cubes“.

CS: Nein, sie können auch zu Büchern werden. Aber Installationskunst ist ein unmittelbares Ergebnis von Happenings. Und für Happenings hat man schon immer unberechenbare Räume unter freiem Himmel vorgezogen. Ich will damit sagen, was wir in der Anfangszeit suchten, waren Räume, die keine problematische Geschichte hatten. Wir hatten den Blick nach vorn gerichtet, weil wir in diesen verfallenen Dachkammern lebten. Doch plötzlich konnte man für 50 Dollar im Monat einen Raum von der Länge eines halben Straßenblocks finden, sehr primitiv und in erbärmlichem Zustand, ohne Elektroinstallationen. Und von da an fand man Kirchen, leere Höfe, Baugelände und Bahnhöfe. Wenn man im Rückblick betrachtet, was Charlotte Moorman auf ihren avantgardistischen Performance-Festivals als Live-Kunst darbot, muss man sie wohl als ziemlich naiv bezeichnen. Eine mäßig begabte Cellistin aus Missouri, die einfach beschlossen hatte, dass sie einen ganzen Bahnhof braucht, nur den Bürgermeister anrufen müsste, um leere Eisenbahnzüge, eine Staten-Island-Fähre oder den Central Park zu bekommen.


Aus einem Interview, das von Shaheen Merali im Dezember 2006 in New York geführt wurde.