Shaheen Merali: "Kunst in der Stadt - Die Ausstellung"
Kunst in der Stadt – Die Ausstellung
Die Metropole New York hebt sich bekanntlich vom Rest der Vereinigten Staaten ab, bildet geradezu einen dialektischen Gegensatz dazu. Vieles, was „amerikanisch“ ist, passt nicht in die Gesellschaft und Lebenswirklichkeit von New York. Diese Stadt ist vielen Amerikanern ein Gräuel, die in anderen Bundesstaaten der USA eifrig protestantische Werte verfechten. Es gibt dafür kaum ein besseres Beispiel als das Aufleben des christlichen Fundamentalismus in der letzten Zeit. In den konservativ geprägten Staaten als patriotisches Prinzip gefeiert, zeigt sich dieser Fundamentalismus in New York nur an der häufigen Buchung großer Konferenzzentren, nicht aber an den Prioritäten auf der moralischen Tagesordnung. Gerade dieser Mangel an Eindeutigkeit macht New York so lebendig und vielfältig. Die Stadt hat sich auf diese Weise ihren Ruf eines Laboratoriums erworben – das vielädrige Wesen ihrer Geschichte erlaubt es ihr, als ein unvergänglicher Raum der steten Wiedergeburt und des zyklischen Übergangs zu fungieren, in dem die pulsierende Masse an sich schon als kulturelles Kapital gilt.
Die Auswahl der Kunstwerke und Künstler für diese Ausstellung versteht sich als Beitrag zu einer Bestimmung zeitgenössischer Kultur. Sie will auf spezifische Weise ein besseres kulturelles Verständnis von Künstlern, die in New York leben, ermöglichen. Sie bietet Antworten auf die Frage, wie das Leben in New York vor allem seit den Sechziger-Jahren Einfluss auf die künstlerische Produktion genommen hat.Die Auswahl vereint bewusst die Werke von Künstlern mehrerer Generationen aus verschiedenen sozialen, politischen und ethnischen Schichten, deren Zusammenhalt einzig durch den eng umgrenzten Raum der Stadt New York gewährleistet wird. An Hand der hier vertretenen kritischen, künstlerischen Interventionen in bestimmten Bereichen des Lebens in New York zeigt sich, inwiefern eine conditio metropolitana zum Nährboden für die unterschiedlichsten Anliegen werden kann. In der Zusammenstellung der Werke offenbart sich die gegenseitige Bedingtheit der visuellen Erzählungen: Diese Bilder sind Palimpseste und bergen einen wieder gewonnenen Sinn für Freiheit, mit dem sich die soziale Realität der Bürger von New York analysieren lässt. Wichtiger noch: Die Ausstellung impliziert, dass Bilder bzw. Darstellungen auch dazu dienen, diejenigen Elemente einer Gesellschaft, die „kulturell als ‚das Andere’ ausgewiesen“ werden, zu stärken und allmählich wehrhafter zu machen.
Shaheen Merali, Auszug aus dem Essay im Katalog zu New York - States of Mind, Saqi Books 2007