Tanz
Ismael Ivo, Renée Gumiel, Dorothy Lenner (São Paulo / Berlin)
As Galinhas - Die Hühner
Europapremiere
Regie: Takao Kusuno
Choreografie: Ismael Ivo
Eine höchst ungewöhnliche Konstellation: Unter der Regie des japanischen Butoh-Meisters Takao Kusuno fand sich im Jahre 1980 die Französin Renée Gumiel, eine der Pionierinnen den Modernen Tanzes in Brasilien, mit der in Rumänien geborenen und in London ausgebildeten Schauspielerin Dorothy Lenner und dem jungen afrobrasilianischen Tänzer Ismael Ivo zusammen, um ein radikal neues Stück zu schaffen. Die Choreografie markiert bis heute eine Zäsur im brasilianischen Tanz: der erste tänzerische Ausdruck der Antropofagia, des „kulturellen Kannibalismus“, wie er in den 30er-Jahren von den Intellektuellen des Landes entwickelt worden war.
As Galinhas war neu, konfrontierte mit dem Butoh, der mit seiner Verbindung von Körperlichkeit und Innerlichkeit in Brasilien noch völlig unbekannt war. Es war radikal, weil das Stück für die Straße konzipiert war, als öffentliche Kritik an der damaligen Diktatur. As Galinhas kreist um Rassismus, Unterdrückung, Gewalt – und ist doch sehr poetisch. Wie die Hühner mit ihren gestutzten Flügeln nur mehr als „Gebrauchsgegenstände“ wahrgenommen werden, so ist auch der Mensch im Käfig der sozialen Umstände gefangen. Der innere Widerstand, eine der Triebfedern des Butoh, war wie zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Zeit, um Opposition zu formulieren und öffentlich zu machen. Für den mittlerweile zum Startänzer avancierten Ismael Ivo hatte das einen sehr persönlichen Aspekt: „Es war nicht nötig, meinen Körper weiß anzumalen, denn meine schwarze Haut war schon das Statement.“
Nun wird As Galinhas neu aufgeführt und beweist die ungebrochene kreative Kraft der „Antropofagia“. Insbesondere die in Frankreich geborene Renée Gumiel, die bei Mary Wigman und Rudolf Laban studierte, zeigt auf der Bühne noch heute - mit 96 Jahren - eine Bühnenpräsenz, die ihresgleichen sucht.