Performing the Self

Die Ausstellungssektion Performing the Self


Die Werke in dieser Sektion spiegeln eine bewusste Suche nach neuen Formen individueller Identität wider, in einer Gesellschaft, die einem rapiden Wandel unterworfen ist. Aus einer Kultur heraus entstanden, die traditionell durch die Unterordnung des Einzelnen unter die Gemeinschaft gekennzeichnet ist, drücken diese Werke die Entstehung flexibler Vorstellungen des Selbst und der eigenen Identität aus. Sie belegen die Auswirkungen einer globalen (Konsum)-Kultur, deren Horizonte sich durch grenzüberschreitende Kommunikation und internationale Reisemöglichkeiten enorm erweitert haben, was gleichzeitig die Autorität ehemals mächtiger Institutionen wie Familie oder Partei hat schrumpfen lassen. All diese Faktoren haben in China ein nie dagewesenes Umfeld für eine individuelle Erforschung der Möglichkeiten persönlicher Autonomie geschaffen. Experimentelle Künstler aus China lassen ein enormes Interesse an ihren Identitäten erkennen - nicht von ungefähr sind Bilder ihrer selbst ein beliebtes Sujet. Die Werke beschränken sich aber nicht auf schlichte Selbstporträts, sondern erstrecken sich auf die Verwandlung des Selbst in fiktionale Charaktere oder symbolische Bilder. So Zhang Huan, der sein Gesicht mit kalligrafischen Zeichen bedeckt, bis jedes Stück Haut bedeckt ist. Oder Cao Fei, die den Trend von Jugendlichen in Guangzhou aufgreift, sich in japanische Zeichentrickfiguren zu verwandeln.


Die Zitate im folgenden sind dem Katalog entnommen, der zur Ausstellung erschienen ist: Wu Hung, Christopher Phillips, Between Past and Future. New Photography and Video from China, Steidl et al. 2004


Bryony Roberts über Cao Feis Video 'COSPlayers'

COSPlayers ist in Cao Feis Heimatstadt Guangzhou (früher Canton) gedreht. An der Südspitze von China gelegen, etwas nördlich von Hongkong ist Guangzhou die Hauptstadt der Provinz Guangdong, wo privates Kapital den Motor einer rasend schnellen urbanen Wucherung bildet. Cao Feis Protagonisten sind Teenager, die so sehr von japanischen Zeichentrickfilmen besessen sind, dass sie sich wie ihre Lieblingscharaktere anziehen und auf dem Dach grauer Wolkenkratzer dramatische Kämpfe ausfechten. Diese Rollenspiele heißen COSPlays (eine Abkürzung für costume play) und sie finden überall auf der Welt statt, von Dallas bis Singapur. Indem sie einen dokumentarischen Stil mit einer Fantasiewelt kombiniert, schafft Cao Fei Bilder, die so pointiert wie gesellschaftskritisch sind. Ihre Protagonisten spielen vor dem Hintergrund eines globalen Kapitalismus - Wolkenkratzer, Sozialwohnungen, Autobahn-Hochtrassen, U-Bahnen und anonyme Parks in Büroanlagen. Um dieser Welt zu entfliehen, haben sich die chinesischen Jugendlichen der japanischen Kultur zugewandt, und umgehen so effektiv die langjährige Feindseligkeit gegenüber den Japanern. Die Tragik dieser Szenen ist, dass sich die COSPlayers trotz ihrer ausgefeilten Kostüme in der tristen, verdreckten Umgebung Chinas im 21. Jahrhundert befinden. Ihre Fantasien werden ihnen die Flucht nie ermöglichen.

Aus „The Lost Generation“, in: NY Arts Magazine: Sep-Oct 2005, Vol.10


Christopher Phillips über Zhang Huans Arbeit 'Family Tree'

„Family Tree entspringt der Überzeugung des Künstlers, dass die Ansprüche der Gesellschaft dem Körper des Einzelnen direkt eingeschrieben werden. In einer bemerkenswerten Sequenz von neun Farbfotos wird Zhang Huans Gesicht mehr und mehr mit Kalligrafie in schwarzer Tinte bedeckt. Einige Zeichen beziehen sich auf Verwandtschaftsverhältnisse wie Onkel oder Tante, andere auf die Titel berühmter chinesischer Geschichten; wieder andere stehen für die primären Elemente Erde, Feuer und Wasser. Während das Antlitz des Künstlers langsam unter der Tinte verschwindet, spüren wir, wie dieses ausgeklügelte Netz familiärer, sozialer und kultureller Beziehungen jeden Sinn für eine individuelle Identität tilgen kann. Dennoch signalisiert der starre und unnachgiebige Gesichtsausdruck des Künstlers die Weigerung, sein vorgezeichnetes Schicksal passiv zu akzeptieren. Unter den vielen Inschriften auf seinem Gesicht befindet sich tatsächlich auch der Titel einer berühmten chinesischen Erzählung namens „Der verrückte alte Mann, der den Berg bewegte“. Diese Geschichte schätzt der Künstler für die Lektion, dass die Entschlossenheit einer Einzelperson unüberbrückbar scheinende Widerstände aus dem Weg räumen kann.“



Die Künstler der Ausstellung:

An Hong, Cao Fei, Hong Lei, Song Dong, Sun Yuan, Wang Jin, Wang Qingsong, Yang Fudong, Yin Xiuzhen, Zhang Huan, Zhao Liang, Zhu Ming.