Konzept

Traum und Trauma

Moving Images and the Promised Lands

Das Medium Film spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Konstruktion der Vorstellung von Israel im globalen filmischen Diskurs. Die alljährlich stattfindenden internationalen Filmfestivals sind Zeugen des Heranwachsens einer neuen Generation viel versprechender Filmemacher und experimenteller Videokünstler aus Israel und den besetzten Gebieten, deren Arbeiten weithin spürbare Auswirkungen auf die Rezeption bewegter Bilder haben. Genauer gesagt: Die Präsenz dieser Spiel- und Dokumentarfilme auf dem internationalen Festivalparkett und ihre Teilnahme an internationalen Biennalen beleuchtet im Nachhinein einen fast sechs Jahrzehnte umfassenden Zeitabschnitt, in dem Erzählstrukturen in Bilder überführt wurden. Als Mischung aus Realem und Fiktivem wurde das psycho-geographische Wachstum und seine Zerstörung mit der Linse eingefangen und in bewegte Bilder übersetzt. Geschichte und Tradition des Filmemachens in dieser Region belegen nachvollziehbar und schlüssig die Herausbildung von Idealen, die mit den Erkenntnissen über die physische Entwicklung des modernen Israel korrespondieren. Dies gibt umfassend Aufschluss über eine Ontologie, ausgehend von ihren Anfängen in einer historisch als Britisches Mandat Palästina bekannten Zeit, als primär Dokumentarfilme produziert wurden, die die Idee des jüdischen Projekts propagierten, über Heldenepen, die das Konzept eines utopischen Staates schufen, in dem Männer und Frauen gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, bis hin zu späteren Werken, in denen die Auseinandersetzungen zwischen israelischen Arabern/israelischen Juden und Einwanderern jüdischer und arabischer Abstammung geschildert werden. Allerdings lässt die gegenwärtige Produktion den Schluss zu, dass Themen wie Sub- und Gegenkulturen, etwa alternative Formen der Sexualität, extremistische Gruppen und Aktivisten, sowie die Abbildung des ländlichen und städtischen Alltagslebens für eine neue Generation von Filmemacherinnen und Filmemachern und deren Publikum neue Interessenschwerpunkte darstellen.

Das Haus der Kulturen der Welt weiß um die Bedeutung von Themen, die aus den unmittelbaren Ängsten der Menschen vor Ort abgeleitet sind und ist gleichermaßen interessiert an der Subversion jener Hierarchien, die in den experimentellen Arbeiten von Videokünstlern in besonderem Maße deutlich werden. Mit Hilfe ihrer Arbeit emanzipieren sich die Künstlerinnen und Künstler von der so genannten kulturellen Erwartungshaltung, was jenseits der klischeebeladenen, medial verbreiteten Nachrichtenbilder, die eine Bildermüdigkeit erzeugen, einen Einblick in den gegenwärtigen Zeitgeist erlaubt. Dementsprechend behandelt das bevorstehende Winterprogramm Traum und Trauma - Moving Images and the Promised Lands die vielschichtigen Themen, die von einflussreichen Experimentalfilmern mittels einer aufregenden und fantasievollen Bildersprache filmisch umgesetzt wurden. Das Festivalprogramm besteht aus Spielfilmen, Kurzfilmen, Dokumentationen und Experimentalvideos der letzten fünf Jahre. Zusätzlich sind renommierte Expertinnen und Experten aus der Region - Autoren, Filmemacher und Kuratoren - eingeladen, sich den Fragen des Berliner Publikums zu stellen und so einen Dialog anzustoßen, der zu einem breiten Ideenaustausch über das in den Filmen vermittelte Bild von Israel und dem Nahen Osten führt.

Die für das Programm ausgewählten und thematisch untergliederten Werke stehen unter dem Motto „Nation-Building“. Dieses Konzept spiegelt parallel die Position des Anderen und die langjährigen Auswirkungen der Besatzung in Bezug auf das Selbst wider. Unter dem genannten Motto wird das Programm mit dem Blick von außen die zu behandelnden Themen aus nächster Nähe betrachten. Mit der eingehenden Analyse von vielgestaltigen Einzelgeschichten und Experimentalwerken lädt das Haus der Kulturen der Welt das Publikum ein, in die Welt der filmischen Medien einzutauchen und deren Entwicklung anhand der Arbeiten junger Filmschaffender zu begleiten, ohne ihre individuellen ästhetischen, intellektuellen und philosophischen Standpunkte zu kompromittieren.