27.10.2022

Ausstellung Three Doors eröffnet am 4. November 2022 / Konferenz Der deutsche Völkermord in Namibia: Ein Fall für Reparationen findet am 5. November 2022 statt

Three Doors
Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Ausstellung
5. November – 30. Dezember 2022
Pressekonferenz: Freitag, 4. November 2022, 13h –
Anmeldung via
anschließend Presserundgang durch die Ausstellung
Eröffnung: Freitag, 4. November 2022, 18h
Eintritt frei

Fast drei Jahre ist es her, dass bei einem rassistischen Terroranschlag in Hanau neun Menschen ermordet wurden. Oury Jalloh verbrannte vor fast achtzehn Jahren in einer Polizeizelle in Dessau. Die Familien und Freund*innen der Opfer und die Überlebenden kämpfen noch immer um Rechenschaft.

Türen sind physische Objekte aber auch soziale Verträge, sie trennen und verbinden verschiedene Bereiche – staatliche, öffentliche oder private. Die Ausstellung zeigt drei Untersuchungen zu jeweils einer Tür und beleuchtet verschiedene Aspekte rassistischer Gewalttaten in Deutschland: In Hanau ist es der versperrte Notausgang der Arena Bar und die Tür des Täterhauses, die die Polizei unzureichend überwacht hat. In Dessau ist es die Tür der Polizeizelle, in der Oury Jalloh verbrannte. Offen, als sie verschlossen hätten sein sollen und versperrt, als sie unversperrt hätten sein müssen – diese Türen verkörpern das Scheitern der sozialen Ordnung. Für ein besseres Verständnis der Situationen rekonstruieren die Untersuchungen den größeren Kontext und verweisen auf das dauerhafte und irritierende Verhältnis zwischen rassistischen Täter*innen und staatlichen Behörden in Deutschland.

Seit der ersten Präsentation im Frankfurter Kunstverein hat Three Doors die anhaltenden Reaktionen auf den Hanauer Terroranschlag in Politik, Gesellschaft und Medien unmittelbar beeinflusst. Nun stellt die Ausstellung mit Führungen und einem öffentlichen Begleitprogramm die Erfahrungen von Angehörigen, Überlebenden und Unterstützer*innen ins Zentrum, um ihre anhaltenden Kämpfe sichtbar zu machen und ein Licht auf tief verwurzelte rassistische Strukturen in Deutschland zu werfen – nur einen Steinwurf vom Deutschen Bundestag entfernt.

Die Ausstellung Three Doors–Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh wurde mit dem Frankfurter Kunstverein co-produziert.

Konferenz

Der deutsche Völkermord in Namibia: Ein Fall für Reparationen
Konferenz
Samstag, 5. November 2022, 15–20h
Auf Englisch
Eintritt freI
Anmeldung via

Zwischen 1904 und 1908 verübten deutsche kaiserliche Truppen im damaligen Deutsch-Südwestafrika den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Sie vernichteten gezielt große Teile der Ovaherero, Ovambanderu und Nama und töteten zahlreiche weitere Menschen. Die Konferenz präsentiert den vorläufigen Stand aktueller kollaborativer Forschungen und thematisiert die Folgen der Kolonialverbrechen.

Die traumatischen Erinnerungen an den deutschen kolonialen Völkermord und dessen generationsübergreifende Auswirkungen sind in Namibia und insbesondere in den Communities der Ovaherero und Nama allgegenwärtig. Ganz im Gegensatz dazu sind die kolonialen Ambitionen Deutschlands und ihr blutiges Erbe in der öffentlichen Darstellung der deutschen Geschichte heute nach wie vor unterrepräsentiert.

Die Konferenz Der deutsche Völkermord in Namibia: Ein Fall für Reparationen präsentiert die ersten Ergebnisse der von Forensic Architecture/Forensis mit der Ovaherero/Ovambanderu Genocide Foundation (OGF) gemeinsam an zentralen Stätten des deutschen Völkermordes in der Gegend rund um den Waterberg durchgeführten Forschungen. Ein begleitendes, durch das ECCHR organisiertes Programm mit Vertreter*innen der Communities der Ovaherero, Ovambanderu und Nama thematisiert die Herausforderungen und Missstände in der Aufarbeitung kolonialer Verantwortung Deutschlands und der daraus folgenden Entsagung von allen Reparationspflichten. Die Teilnehmer*innen fordern innerhalb und jenseits bestehender internationaler Rechtsrahmen für die betroffenen Menschen Reparationen, Wiedergutmachung und Entschädigung, die ihren Bedürfnissen entsprechen.

Acht neue investigative Videos zeigen vom 4. bis 6. November im Garderobenfoyer des HKW die erste Recherchephase von Forensic Architecture/Forensis/OGF. Dazu wurden deutsche Archivaufnahmen in 3-D-Environment-Modelle montiert. Berichte aus mehreren Generationen füllen die Leerstellen zwischen den kolonialen Fotografien. Sie offenbaren die Beziehungen zwischen Architektur und Landschaft und verweisen auf die Vertreibung Indigener Siedlungen und den durch den Völkermord verursachten ökologischen Wandel. In der Verknüpfung traditioneller Formen der Überlieferung mit modernen, immersiven Techniken des Geschichtenerzählens verortet das Forschungsteam Wohnorte und Grabstätten der Vorfahren und entwickelt einzigartige Formen einer restitutiven Evidenz.

Mit Joshua Castellino, Mbakumua Hengari, Sarah Imani, Wolfgang Kaleck, Mutjinde Katjiua, Vepuka Kauari, Sima Luipert, Esther Utji Muinjangue, John Nakuta, Agata Nguyen Chuong, Kambanda Veii und Eyal Weizman

Programm

15h
Begrüßung
Bernd Scherer

15.15h
Einführung
Deutscher kolonialer Völkermord in Namibia und die Frage nach Reparationen – ein laufender Prozess
Wolfgang Kaleck

15.35h
Präsentation und Q&A
Vorläufige Ergebnisse der in der Gegend rund um den Waterberg durchgeführten Recherchen
Kambanda Veii, Agata Nguyen Chuong, Eyal Weizman

17h
Pause

17.30h
Video-Intervention
Die Entwicklung eines Rechtsrahmens der Wiedergutmachung von Kolonialismus als einzigartiges Verbrechen
Joshua Castellino, mit einer Einführung und Kommentaren von Sarah Imani

18.15h
Diskussion
Deutscher Kolonialismus und Völkermord: Plädoyers für und Verhandlungen eines Reparationsfalls
mit Sima Luipert, Mutjinde Katjiua, Vepuka Kauari, Esther Utji Muinjangue, Mbakumua Hengari, moderiert von John Nakuta

Investigative Commons

Was kann die Zivilgesellschaft tun, wenn staatliche Institutionen in Verbrechen verstrickt sind? Reporter*innen, Künstler*innen, Aktivist*innen u. a. richten den Blick auf rassistische Polizeiarbeit, Grenzsysteme, Cyberüberwachung, Umweltverbrechen und andauernde Kolonialgewalt und widmen sich neuen investigativen Praktiken und Methoden kollektiver Wahrheitsfindung.

„Kontrafaktische“ Angriffe auf staatliche Institutionen und die Justiz durch neofaschistische Gruppen sind ein wesentliches Merkmal der heutigen Zeit. Reaktionen darauf sind oft ein Festhalten an diesen traditionellen Säulen der Macht und des Wissens. Was aber kann die Zivilgesellschaft tun, wenn eben diese Institutionen für Verbrechen, Staatsterrorismus und Vertuschungen verantwortlich sind und an zwei Fronten gleichzeitig gekämpft wird: für unabhängige Beweise und gegen institutionelles Wissen?

Investigative Commons begegnet dieser Krise, indem es die Entwicklung und den Einsatz „counter-forensischer“ Beweise für die Allgemeinheit nutzbar macht. Initiiert von Forensic Architecture, FORENSIS und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) zielt diese interdisziplinäre Kooperation darauf ab, staatliche und unternehmerische Gewalt aufzudecken. Dabei trifft das situierte Wissen von Gruppen an der Front politischer Kämpfe auf Methoden von Investigativreporter*innen, Whistleblower*innen, Aktivist*innen, Rechtsanwält*innen, Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Architekt*innen und Kulturschaffenden. Sie alle arbeiten an Fällen von gesellschaftlicher Dringlichkeit: Grenzsysteme, Cyberüberwachung, Umweltzerstörung und Kontinuitäten kolonialer Gewalt. Das HKW begleitet Investigative Commons mit Ausstellungen und Konferenzen. Wie wird neue Technologie und ästhetisches Empfinden in Zukunft die Auseinandersetzung mit der Welt prägen?

Mehr Informationen: hkw.de/investigativecommons
Pressefotos: hkw.de/pressefotos

Informationen zum Besuch

Aktuelle Informationen für Besucher*innen unter hkw.de/besuch

Das Restaurant Weltwirtschaft ist täglich ab 12h geöffnet. weltwirtschaft.berlin

Partner

Das Haus der Kulturen der Welt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie das Auswärtige Amt.

Pressekontakt

Jan Trautmann
Leitung Presse und PR

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
T + 49 (0) 30 39787-192

hkw.de