1986: Prominentes Nirgendwo

Ein Nationalgeschichtsmuseum neben der Kongresshalle

31. Dezember 1986 in der BZ, "Freut sich, daß bald alles fertig ist: Bauleiter Klitsch"

Kurz vor Silvester 1986 besichtigen der Bausenator Wittwer und US-Stadtkommandant John H. Mitchell gemeinsam die nun fast fertige Kongresshalle. Die Presse ist natürlich dabei. Blitzlichter im noch unbestuhlten Auditorium. Das Dach gilt nun wirklich als sicher, schließlich habe man mit Computern die neue Konstruktion errechnet und in Windkanalversuchen auf extreme Belastungswerte hin getestet. Und obwohl die Ähnlichkeit der neuen Konstruktion mit dem zusammengestürzten Original erheblich ist, sei der Schwung des Dachs nun um 70 Zentimeter höher. Das alles kann exakt gesagt werden, was aber die zukünftige Nutzung angeht, so gibt es bei diesem Dauerthema immer noch keine vollständige Klarheit. Plötzlich ist auch vom RIAS, „Radio im amerikanischen Sektor“, die Rede, der nach einem Standort für sein geplantes Fernsehprogramm sucht. Und mit dem Amerikahaus werde auch gesprochen. Auf jeden Fall will die GASAG das Weihnachtsfest 1987 mit ihren Mitarbeitern in der Halle feiern. Und sicher scheint zu diesem Zeitpunkt auch, dass das Tempodrom, das erst seit dem letzten Jahr auf dem Parkplatz neben der Kongresshalle aufgestellt ist, wieder umziehen muss, spätestens 1988. Dort wo früher die Kroll-Oper gegenüber dem Reichstag stand, wird nämlich der Neubau eines Deutschen Historischen Museums geplant. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte sich 1982 das Museum einfallen lassen, als Gegenstück zum Geschichtsmuseum der DDR im Zeughaus Unter den Linden und als Ausdruck der von ihm verkündeten geistig-moralischen Wende. Das DHM war aber ebenso ein Mittel zur Demonstration eines Anspruchs: Berlins bleibt eigentlich zukünftige Hauptstadt, auch wenn Bonn das tatsächlich ist – und parallel ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik bekommt. In der Auslobung zu einem städtebaulichen Wettbewerb zum „Platz der Republik“ 1984/1985 wurde deklariert, das Terrain zwischen Kongresshalle, Reichstag und Spree sei die „Mitte auf Wartestand“. Und „die erneute Aufwertung des Gebietes in seinem ihm zukommenden Anspruch als politisches Forum“ gefordert. Keine der daraufhin eingereichten Planungen wurde je realisiert und ebensowenig der Entwurf von Aldo Rossi, mit dem er 1988 zum Sieger des Wettbewerbs für ein Deutsches Historisches Museum gekürt wurde. Rossi sah ein aus einer Vielzahl historischer Bauformen zusammengesetztes Gebäude vor, das selbst bereits Ausstellungsobjekt gewesen wäre, in dieser Beziehung ähnlich dem Märkischen Museum mit seinem Gemenge aus diversen nachgestellten Baufragmenten der Mark Brandenburg. Es wäre gewesen – nie gebaut, Grund: Wiedervereinigung. Aber im Oktober 1987 noch wurde in Sichtweite des Reichstags als Grundsteinersatz eine Bronzeplatte enthüllt, und Helmut Kohl und Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen unterzeichneten die Gründungsurkunde für ein DHM, das heute aber im Zeughaus siedelt. Die Lage der Bronzeplatte im Spreebogen vorwegnehmend halten übrigens im Dezember 1986 die Modern Talking Platz No. 1 der deutschen Charts mit der Scheibe „In the Middle of Nowhere“. Weitere Meldungen des Jahres 1986, die sich mit dem Namen Helmut Kohl verbinden: 3. Februar, der Spiegel meldet, dass der Grünen-Abgeordnete Schily den amtierenden Bundeskanzler angezeigt hat, wegen des Verdachts der Falschaussage vor den Untersuchungsausschüssen im Bundestag und im Mainzer Landtag in der Parteispendenaffäre. 15. Oktober: In einem Interview mit Newsweek vergleicht Helmut Kohl den sowjetischen Parteichef Gorbatschow indirekt mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, was die deutsch-sowjetischen Beziehungen erheblich belastet, dabei herrscht sonst ein deutlicher Entspannungsfrühling. Reagan und Gorbatschow wenden sich in diesem Jahr mit Ansprachen an das Staatsvolk des jeweils anderen, treffen sich, um über die Abrüstung der Atomwaffen zu verhandeln. Und schließlich 31. Dezember 1986: Bei der Ausstrahlung der Neujahrsansprache von Bundeskanzler Kohl kommt es bei der ARD zu einer Panne, es wird das Band mit der Rede des Kanzlers vom Vorjahr „versendet“.
Axel Besteher-Hegenbart

Volksblatt Berlin, 31.12.1986
Der Tagesspiegel, 31.12.1986
Berliner Morgenpost, 31.12.1986
BILD Berlin, 31.12.1986
B.Z. , 31.12.1986
Bauwelt, Nr. 25, Berlin 1986, Ausschreibung zit. nach noch unveröff. Ms Anne Schmedding