1982: Die Mehrzweckhalle
Gesucht: Neuer Inhalt für ein Symbol
Noch steht die Halbruine Kongresshalle eingezäunt, von Wachleuten mit Hunden umkreist, im einsamen Tiergarten, unverändert. In der Berliner Politik kommt aber so etwas wie Bewegung auf, auch angestoßen durch Eilmeldungen, das Auditorium werde nun ebenfalls einsturzgefährlich. In rascher Folge hatten sich bereits Ende 1981 erst die Abgeordnetenhaus-Fraktion der CDU, dann der Senat unter Richard von Weizsäcker – der zuvor mit Eleanor Dulles zusammengetroffen war - und schließlich die SPD für den Wiederaufbau der Kongresshalle stark gemacht. 1982 folgen nun formelle Beschlüsse, nur: Wenn wieder aufgebaut, was soll in der Kongresshalle werden? Irgendeine Nutzung muss für das Symbol, den „Haltepunkt für das historische Bewusstsein“, so die Berliner Morgenpost, ja gefunden werden. Die ehemalige Hausherrin AMK (steht für Ausstellungs-Messe-Kongress-GmbH) jedenfalls will die Kongresshalle nicht mehr bespielen. Es könne sogar sein, verlautbaren die Messeleute, dass schon die Kapazität ihres ICC für das neuerdings schrumpfende Kongressgeschäft zu groß angelegt worden sei.
Was sich dann abspielt, ist Lehrstück Zickzacklokalpolitik. Anfänglich wird der alte Plan, Abgeordnetenhaus und Senatskanzlei aus dem Schöneberger Rathaus hierher zu verlegen, aus der Schublade geholt, sehr schnell aber wieder verworfen. Die Freien Demokraten wollen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, und den eigentlich als Neubau neben der Philharmonie geplanten Kammermusiksaal hier einrichten. Dann fasst im April der Senat einen Grundsatzbeschluss: Die Kongresshalle geht an die Berliner Festspiele. Doch kommt es erneut zu Verzögerungen, weil deren Umbauwünsche zu üppig ausfallen. Immer wieder verschiebt der Senat eine endgültige konkrete Festlegung zur zukünftigen Nutzung. Es ist in Abständen die Rede von Theatertreffen, Filmfestspielen und Jazzfest in der Halle, aber auch andere Projekte werden annonciert: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll Platz für Ausstellungen bekommen. Die Freunde der deutschen Kinemathek sollen in zwei Sälen Filmvorführungen veranstalten. Die FDP, für kurze Zeit in der Opposition, schafft Verwirrung mal durch plötzliche Ablehnung des Wiederaufbaus, mal durch den Vorschlag einer gemischt deutsch-amerikanischen Finanzierung. Dann scheint die Sammlung Buchheim mit ihren 600 Expressionisten-Werken im Angebot für die Kongresshalle zu sein. Die Süddeutsche Zeitung schlägt diese Museumsnutzung vor, charakterisiert aber gleichzeitig den Ort als „wo sich Füchse gute Nacht sagen“. Eine ganz andere Art von Kunstobjekt soll nach dem Willen der Jungen Union entstehen: Sie fordert, Christo solle die Kongresshallenruine verpacken und damit die geschätzten 80 Millionen DM Sanierungskosten sparen helfen. Auch andere Kritiker operieren mit den Kosten. In der Kunstszene wird das Projekt schon ironisch als Berliner „Centre Pompidou“ bezeichnet, andere meinen später diese Bezeichnung ernst. Im Oktober dann der endgültige Senatsbeschluss: „Zentrum für zeitgenössische Kunst“. Die Vision des Berliner Festspiele-Intendanten Ulrich Eckhardt scheint wahr zu werden: Aus der Tradition der Vergnügungen im Tiergarten entwickelt er in einem großen Artikel die Idee der Verschmelzung von Künsten und Unterhaltung - Events, die eine Verbindung mit dem Park und der transparenten Architektur eingehen. Ein populäres Forum, zugleich Haus der Berliner Festspíele, freier Theatergruppen, für Berlinale-Sonderreihen, für multimedial Kooperationen mit der Nationalgalerie. Und auch Ort der Reflexion. Die Kongresshalle als „stimulierendes Tätigkeitsfeld“ der verschiedenen Interessen wünscht sich Eckhardt. Darf man da noch fragen, mit welchem Ziel?
Axel Besteher-Hegenbart
Meldung AP, 26.3.1982
Der Spiegel, 12.10.1981
Der Tagesspiegel, 16.10.1981
Der Tagesspiegel, 23.4.1981
Berliner Morgenpost, 18.3.1982
Südwest-Presse 6.6.1980
Der Tagesspiegel, 4.9.1981
Der Tagesspiegel, 6.5.1982
Die tageszeitung, 30.7.1982
Süddeutsche Zeitung, 13.9.1982
BILD, 14.5.1982
Die Welt, 14.10.1982
Berliner Morgenpost, 25.4.1982