1961: Mord und Protest an der Spree
Kunst gegen Mauern - Gerson Fehrenbachs Skulpturengarten neben der Kongresshalle
Am Morgen des 13. August, es ist Sonntag, besetzen überall in Berlin DDR-Soldaten und Angehörige der SED-Betriebskampfgruppen die bisher oft nur ideell vorhandene Demarkationslinie, rollen Stacheldraht aus. Sie tun das auch am Humboldthafen nordöstlich unweit der Kongresshalle, im Bogen an Invalidenstraße und Schiffbauerdamm immer am Wasser entlang – wo jetzt die Liegestühle vom „Bundespressestrand“ und das Lüders-Abgeordnetenbürohaus mit Ben Wagins „Parlament der Bäume“ stehen - und dann weiter am südlichen Spreeufer in gerader Linie rund 5 Meter hinter dem Reichstag bis hin zum Brandenburger Tor. An dieser historisch besonders wichtigen Stelle postieren sie sich sogar Schulter an Schulter und mit Kalaschnikow und Gewehr im Halbkreis. Die Berliner stehen unter Schock, auch für die meisten DDR-Truppen war das Ganze ja überraschend gekommen, Mobilisierung am Samstagabend bei schönem Wetter. Erst später ziehen Demonstranten auf, eine große protestierende Menschenmenge wird am Großen Stern an der Siegessäule aufgehalten, um Konfrontationen am Brandenburger Tor zu vermeiden.
Nur zwei Monate zuvor hatte SED-Chef und DDR-Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht auf einer Pressekonferenz verlautet: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“ Da ahnten natürlich schon viele, dass die Grenze irgendwie bald dichtgemacht werden würde. Präsident Kennedy hatte einige Monate zuvor eine solche Sperrmaßnahme indirekt freigegeben. Und aus Sicht eines Regimes, das sich sonst nicht anders hätte halten können, machte das ja auch Sinn, schließlich hatten seit Gründung der DDR bereits rund 2,5 Millionen Bürger lieber ihre Heimat westwärts verlassen, als „so“ weiter zu leben. Da 1961 sich die Gerüchte um eine geplante Abriegelung verstärkten, flohen bis August gleich noch mal rund 200.000.
Aber mal weg von der Statistik: Der erste Mord an der Einsperrlinie nahe der Kongresshalle ereignet sich dann schon am 24. August. Günter Litfin wird beim Fluchtversuch durchs Wasser des Humboldthafen erschossen. 24 Jahre ist er da alt. In der Nähe des Spreebogens werden noch einige auf der Flucht umgebracht werden.
Noch im Sommer dieses Jahres beginnen Künstler direkt neben der Kongresshalle mit einer ganz besonderen Protestaktion: Stein gegen die Mauer. Die 18 Bildhauer aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Ungarn, Israel, Japan und der Schweiz – dabei auch Gerson Fehrenbach - hatten in einem Symposium in Bayern zusammengearbeitet, als die Nachricht von den Berliner Ereignissen sie traf. Kurzentschlossen gehen sie genau dahin und beginnen demonstrativ mit ihrer Arbeit. Bis 1963 entstehen auf dem Gelände am heutigen Bundeskanzleramt 24 Steinskulpturen. Die meisten davon sind – nach inzwischen abgewehrten Versuchen von Berliner Ämtern, sie verfallen zu lassen - immer noch zu sehen.
Axel Besteher-Hegenbart
Peter Krönig-Dethlefsen, 1237 - 1987 – Es geschah in Berlin, Berlin o. J.
Berliner Zeitung, 9.8.2001