1959: Warum die „Zeltenallee“ zur „John-Foster-Dulles-Allee“ wurde

Die Dulles-Familie: Außenminister, CIA und "Berlin-Beauftragte"

25.7.1959, Willy Brandt spricht zur Umbenennung, Foto: Landesarchiv Berlin / Gert Schütz, 1959

„Morgen wird ein Tag wie jeder andere“, sagt der Regierende Bürgermeister Willy Brandt am 26. Mai 1959 zu einer Versammlung westlicher Redakteure und Autoren in der Kongresshalle. Das ist nicht selbstverständlich, da am nächsten Tag die 6monatige Frist endet, die Moskau den Westmächten zum Verlassen West-Berlins gesetzt hatte. Die Russen drohen, die Stadt erneut abzuriegeln. Brandt wählt den Ort seiner Rede mit Bedacht. „…nahe einer künstlich durch eine Nation gezogenen Grenze (…), wo die Arbeit einer wirklich freien Presse in direkte Nachbarschaft zum Gestammel einer Presse gerückt ist, die zum Sklaven eines Polizeistaats degradiert wurde.“, sagt der anwesende Präsident des Internationalen Presse Instituts Urs Schwarz zur New York Times. Als zwei Monate später der neue US-Außenminister Christian Herter Berlin besucht, wird er von den West-Berlinern enthusiastisch begrüßt. Denn kurz zuvor hat er auf der Genfer Außenministerkonferenz dieses so genannte „Chruschtschow-Ultimatum“ abgeschmettert. Schon am Flughafen Tempelhof feiern ihn Hunderte. Um die „Hungerharke“ - das Luftbrückendenkmal - wogt eine noch größere Menge. Seinen ganzen Weg durch die Stadt säumen sie. Sein Ziel: Die Kongresshalle, wo ihn 20.000 West-Berliner erwarten, einige mit „Danke, Herter“-Schildern. Wo finden sie bloß Platz? Nun, der ehemals prächtige Tiergarten sieht noch aus wie ein gerupftes Huhn, daher verstellen nur wenige Jungbäume den Blick. Herter ist angereist, die Straße „Zeltenallee“ nach seinem kurz zuvor verstorbenen Vorgänger in „John-Foster-Dulles-Allee“ umzubenennen. Heutzutage wäre sofort der Gleichstellungsbeauftragte auf dem Plan, denn eher hätte man dessen Schwester Eleanor diese Straße widmen können. Schließlich war es sie, die als die Berlin-Beauftragte der USA den Bau der Kongresshalle durchsetzte und ihrem Bruder die Gelder für den Bau entlockte. Und was der Dulles-Clan wollte, das setzte er durch - im Guten, wie im Schlechten. Schon Eleanors Großvater John W. Foster Dulles hatte es zum Außenminister gebracht. Ihre Brüder Allen und John Foster sammelten zunächst Erfahrungen als Anwälte, Lobbyisten und Aufsichtsratsmitglieder von Großunternehmen wie der United Fruit Company. Später stürzte Allen als CIA-Chef die demokratisch gewählten Regierungen im Iran (1953) und in Guatemala (1954) und installierte dort Amerika-freundliche Diktatoren. Auch die gescheiterte Schweinebucht-Invasion kubanischer Exilanten 1961, mit der die USA versuchten, die Castro-Regierung zu Fall zu bringen, geht auf sein Konto. Sein Bruder John Foster war als Außenminister einer der Initiatoren des amerikanischen Prinzips der Abschreckung und unterstützte Frankreich im Vietnam-Krieg gegen die Kommunisten Ho Chi Minhs.

Aber zurück zur Kongresshalle und Eleanor Dulles: Nicht nur für die Extravaganz und Modernität der Kongresshallenarchitektur, sondern auch für die Wahl des Standorts zeichnet sie mitverantwortlich. Ursprünglich sollte das Gebäude an der Sektorengrenze errichtet werden. „In den Zelten“ ist die bessere Lösung, denn hier haben sich der Berliner schon immer gern versammelt, sei’s zu demokratischen Kundgebungen oder um bis „in die Puppen“ – womit die protzigen Herrscherdenkmäler im Tiergarten gemeint waren – zu tanzen. All dies wird später in der Kongresshalle zu neuem Leben erweckt, im Zentrum eines zukünftig wiedervereinigten Berlins. Selbstironisch-bescheiden erscheint Eleanor zur großen Umbenennungsfeier als „Vertreterin der Familie“ und bleibt ganz im Schatten des neuen US-Außenministers.
Dina Koschorreck

Barbara Miller Lane, The Berlin Congress Hall 1955-1957. In: Perspectives in American History
Der Tagesspiegel 27.6. + 26.7. 1959
New York Times 27.5. + 26.7.1959
The Washington Post and Times Herald 25.7.+ 26.7. 1959
http://www.cnn.com/SPECIALS/cold.war/episodes/
http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/CIA/Geschichte_20der_20CIA/387256.html