Interview mit Anita Knabe, der Ehefrau des Poliers beim Wiederaufbau der Kongresshalle ab 1982, und ihrer Tochter Brigitta Knabe
Frau Knabe, Ihr Mann war Polier beim Wiederaufbau der Kongresshalle. Nach dem Einsturz 1980 war das Echo in den Medien groß. Können Sie sich an Ihre erste Reaktion erinnern?
Mein Mann hat damals gesagt: „Das musste so kommen.“ Das war, was ich erst einmal so mitkriegte. Denn normalerweise habe ich vom Bau nicht so viel Ahnung. Ich kenne es nur vom Erzählen.
Dann hatte Ihr Mann vorher schon vermutet, dass es zu einem Einsturz kommen könnte?
Vermutet nicht, aber er hat es wohl im Hinterkopf gehabt.
Wie ist er denn damals an den Auftrag gekommen?
Durch die Firma Dyckerhoff + Wittmann, da war er ja Polier. 1982 waren wir im Urlaub. Wir sind alle zu viert in den Urlaub gefahren und er hatte keine anschließende Baustelle, was er sonst immer hatte. Er wusste [sonst immer] genau, der Bau ist noch nicht hundertprozentig fertig – und diesmal nicht. Es war ein furchtbarer Urlaub: „Ich habe keine Baustelle, ich habe keine Baustelle. Wo werde ich hingehen?“ Da haben meine Tochter und ich ihn verkohlt: „Du bist der Mann für alle Fälle. Du baust die Kongresshalle.“ – „Hört auf mit dem Zirkus“, sagte er. Ich sagte: „Pass auf, Vater. So wird es werden.“ Und wir kamen nach Hause und dann war der Brief schon da, [in dem stand, er solle] zum soundsovielten da sein zur Besprechung.
Dann war mit dem Einsturz also eingetroffen, was Ihr Mann befürchtet hatte….
Befürchtet kann man nicht sagen, er hat es wohl im Hinterkopf gehabt. Das war eine Ahnung, weil das Baugeschehen ja damals [beim Bau der Kongresshalle] noch nicht so weit war [...]
Vielleicht können Sie kurz erzählen, wie es überhaupt zu dem Einsturz gekommen ist?
Es war eine undichte Stelle im Dach. Ich kann das nicht genau erklären.
Waren Sie selbst einmal vor Ort, als dort zwischen 1982 und 1987 gebaut wurde?
Nein, wir waren nur zur Grundsteinlegung eingeladen.
Vielleicht können Sie das Geschehen vor Ort erklären? Welche Atmosphäre herrschte an diesem Tag?
Der Britische Botschafter und Eleonor Dulles kamen hierher nach Berlin. Die [Eleonor Dulles] hat auch den Spatenstich gemacht und dann ist der Beton darüber gegossen worden und dann war das erledigt. Dann wurde die Säule draufgesetzt, dieser Korb, und dann war das passiert.
[Frage an die Tochter]
Frau Knabe, Ihre Arbeit ist möglicherweise ein Teil der neuen Dachkonstruktion der „Schwangeren Auster “. Können Sie kurz schildern, wer Sie sind und was möglicherweise Ihr persönlicher Beitrag gewesen ist?
Ich bin die Tochter von Wolfgang Knabe, mein Name ist Brigitta Knabe. In den Jahren 1983-85 war ich Auszubildende der Firma Dyckerhoff + Wittmann und habe im Praktikum, das man im Zuge der Bauzeichnerausbildung in dieser Firma machen musste, Stahlkörbe geknüpft. Ich musste Stahl biegen und Körbe knüpfen. Aus Erzählungen vermute ich, dass einer dieser Körbe von mir stammte und in der neuen Dachkonstruktion mit verbaut worden ist. Einmal bin ich während dieser Zeit auf dem geschwungenen Dach entlang gelaufen und habe das Patent der Firma Dyckerhoff + Wittmann gesehen – wie die Stahlseile oder Stahlstangen dort oben wie in einer Muffe verschraubt worden sind.
Haben Sie sonst noch irgendwelche Erinnerungen daran?
Als die beiden Pfosten an der Seite, die beiden Auflager, gesprengt worden sind, stand ich dabei, da durfte ich mit auf die Baustelle kommen. Das war schon ein sehr bedrückendes Gefühl, weil man ja nicht wusste: Bricht jetzt dieses ganze Haus hier zusammen oder bleibt es stehen. Aber es ist ja glücklicherweise stehen geblieben.
[Die Mutter]
Es gab jede Woche eine Reportage, die den Wiederaufbau zeigte. Es war ja kein Aufbau anfangs. Es war ein Abriss. Das Dach wurde abgetragen, es wurde ein neues Dach aufgetragen und dann kam das neue Dach, das man jetzt sieht. Denn das ist ja mit dem alten Gebäude gar nicht mehr verbunden. Da sind ja achtzig Zentimeter Luft dazwischen. Damit sich oben keine Tauben reinsetzen, ist rundum ein Netz gespannt.
Das heißt – frei schwingend, wie man es beim ersten Aufbau gedacht hatte, war das Dach also vorher nicht.
[Die Tochter Brigitta Knabe]
Dadurch, dass alles unterirdisch miteinander verbunden war, denke ich mir, sind es jetzt zwei einzelne Segmente. Das heißt, die [Segmente] stehen jetzt an der Seite und damit ist das Dach [jetzt] ein frei schwebendes Dach. Das ist mit nichts mehr verbunden, weder unterirdisch noch sonst irgendwie. Das war 1956 etwas ganz anderes.
Berlin, 21. November 2006