Jazz als Anleitung zum Leben

Jazz als Anleitung zum Leben

Ein Interview mit Jimmy Scott von Max Dax


Der heute 76jährige Jazz-Sänger »Little« Jimmy Scott wurde mit einer seltenen Hormonstörung geboren, die sowohl seinen Körperbau als auch seine Stimme prägte. Scotts Stimme klingt wie die einer Frau, einzigartig sind zudem Timing und Phrasierung des Sängers. Die New York Times bezeichnete Scott als den »am sträflichsten übergangenen Sänger des 20. Jahrhunderts«, und in den Augen der amerikanischen Jazz-Legende Billie Holiday war Scott schlichtweg »der größte Jazz-Sänger aller Zeiten«. Bereits in den späten Vierziger Jahren landete Scott seinen ersten Hit »Everybody’s Somebody’s Fool«, als er im Orchester von Lionel Hampton sang. Eine typisch amerikanische Karriere ohne weitere Hits folgte: Im Stich gelassen von seinem Manager und vom Glück, nahm Scott 1985 eine Stelle an der Rezeption eines Hotels in seiner Heimatstadt Cleveland an, nachdem er bereits Ende der Siebziger Jahre dem Musik-Business den Rücken zugekehrt hatte. Erst ein Zufall sollte den schwarzen Sänger wieder zurück ins Rampenlicht rücken: Auf der Beerdigungsfeier der amerikanischen Blues-Legende Doc Pomus sang Jimmy Scott dessen Song »Someone to Watch Over Me« – unter den Trauergästen befand sich mit Seymour Stein ein hochrangiger Plattenboss, der Scott in der Folge sein bis heute anhaltendes Comeback ermöglichte. Mit »Little« Jimmy Scott sprach Max Dax anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Albums »But Beautiful«. Da ein Treffen in Cleveland, Ohio, leider nicht arrangiert werden konnte, fand das etwas länger als eine Stunde dauernde Gespräch am Telefon statt.


Hallo Mr. Scott, Sie stehen seit Anfang der Neunziger Jahre wieder auf festen Füßen, produzieren wieder Schallplatten, nachdem Sie fast fünfzehn Jahre lang verschwunden waren von der Bildfläche.


Man braucht viel Kraft, um solche Rückschläge zu verkraften. Sie müssen wissen, dass ich die Regeln des Geschäfts in jenen Tagen gelernt hatte, als es noch eine Vielzahl kleiner Schallplattenfirmen gab, und dass die Zeiten damals sehr offen waren für die Art von Musik, die ich mache. Es gab noch keine großen Konzerne, die versuchten, die Musik zu normen. Die einzige Musik, die damals eine Lobby hatte, das war die klassische Musik. Jazz war für uns wie eine universale Sprache, aber es glaubte kaum einer an diese Musik, und entsprechend waren wir auf uns gestellt – wir, die Künstler, aber auch die Schallplattenfirmen. Jazz war für uns wie ein Lebenselixier. Dann kam der Rock ’n’ Roll, den ich immer als Bang-Bang-Musik bezeichnet habe. Das war aber keine Musik, die die Menschen erzogen hat. Jazz hat die Musiker erzogen zu Würde. Vielleicht wurden sie ausgenommen und gedemütigt. Aber Jazz zu spielen hieß immer auch seine Würde zu bewahren. Wenn dieses Wissen weitergegeben wird, dann ist es gut. Wir müssen uns doch ein für alle Mal vor Augen halten, dass gute Musik auf der ganzen Welt für unzählige Menschen ein immerwährender Quell der Freude und der Besinnung ist.Sie sprechen von Würde, als ob es keine Würde mehr gäbe …Wissen Sie, ich habe am eigenen Leib erfahren und es auch unzählige Male mit ansehen müssen, dass die Menschen, die diese ganze Unterhaltungsbranche am Leben halten, und da gehört der Jazz mit hinzu, von den Medien oft unwürdig behandelt werden. Um es mit einem Beispiel zu illustrieren: Ein Clown braucht eine lange Zeit, um eine Leiter hochzuklettern – aber dafür gibt es den Zirkus, damit er es schafft. Verstehen Sie? Mit dem Jazz war es genauso wie mit dem Clown. Der Jazz hat lange Zeit nicht mehr die Beachtung bekommen, die er früher einmal hatte. Erinnern Sie sich an die Zeiten, als wir Louis Armstrong hatten. Als wir Bill Johnson hatten. Das waren die Gründer dessen, was wir heute als Jazz bezeichnen. Man hat damals einfach begriffen, dass Jazz nichts anderes war als eine Anleitung zum Leben. Ein Beispiel für das Leben.


Wie meinen Sie das?


Der Jazz erzählt von den Orten, wo er herkommt. Der Jazz hat viele Spielarten. Der Jazz erzählt viele Schicksale. Also ist er eine Anleitung für das Leben. Sehen Sie? Möglicherweise ist der Jazz nur eine spirituelle Anleitung für das Leben, aber irgendjemand muss sich doch auch um den Geist kümmern, nicht wahr?Joe Zawinul, einer der Überlebenden der vielleicht letzten Phase, in der Jazz wirklich spannend war, nämlich der elektrischen Phase Miles Davis’, stellte kürzlich mit Entschiedenheit fest: »Der Jazz ist tot«. Und wissen Sie auch, woran das liegt? Die meisten Musiker vergessen heutzutage, dass Jazz immer Entertainment war. Es ging nicht darum, berühmt zu werden oder möglichst clever zu sein, um berühmt zu werden. Es ging vielmehr darum, gute Musik zu präsentieren. Denn was heißt denn Entertainment? Es heißt doch nichts anderes, als Trost und Beistand im Leben zu leisten. Und natürlich sind die berühmt geworden, die das am besten konnten, ist doch klar! Aber heutzutage sind sich die Musiker zu schade, um ihren Job als den des Seelentrösters und Unterhalters zu begreifen. Sie wollen berühmt werden. Das ist alles. Sie wollen ein Star sein – aber der Himmel ist schon voller Sterne. Verstehen Sie? Das kann doch kein Antrieb sein. Künstler zu sein, das ist wichtig. Das Wesen des Künstlers ist, ehrlich zu sich selbst zu sein. Künstler zu sein heißt, etwas Gutes, das man in sich gefunden hat, zu präsentieren. Und Gott weiß, dass die Menschen es mitbekommen werden, wenn es echt ist. Es wird zugehört werden, wenn es echt ist. Ich glaube fest daran. Egal, ob wir jetzt von mir oder jemand anderem reden. Ich glaube an dieses Prinzip. Das ist ein göttliches Prinzip, das man im Laufe der Jahre lernt, wenn man im Leben Opfer hat bringen müssen für seinen Glauben an die Kunst. Denn zusätzlich zu der Kunst, die man erschafft, muss man sich ja auch noch um die anderen Dinge im Leben kümmern! Das tägliche, das einfache Leben. Wir teilen unsere Kunst mit den Menschen, und wir teilen unsere Liebe zur Kunst mit den Menschen. Wir geben nur zurück, was wir an Unterstützung in unserem Leben von anderen bekommen haben. Es ist sehr, sehr schade, dass heutzutage kaum noch einer in diesen Kategorien denkt, dass die Mehrzahl der Leute nicht mehr so lebt. Sie bringen sich selbst um eine der süßesten Erfahrungen im Leben.Inwiefern hat es eine Rolle gespielt, dass Jazzmusiker früher einen anderen Lebensstil hatten als heute? Das hat eine Rolle gespielt. Die Musik hat die Menschen ganz anders begleitet als heutzutage. Sie lebten mit der Musik, sie summten sie vor sich hin … Es war ihnen gar nicht bewusst, dass diese Musik ernsthaft der Welt helfen würde. Ich meine: Jeder einzelne Mensch hat doch die Wahl, sich helfen zu lassen, oder? Der Musiker sollte sich bewusst sein, dass er etwas mit seinem Hörer teilt. Nehmen Sie eine Textzeile in einem Lied, die einem Menschen etwas bedeutet. Wird er sie je vergessen? Nein! Das meine ich mit »teilen«. Wenn man Glück mit jemandem teilt, dann ist das doch großartig. Das ist natürlich nur meine Meinung, aber ich glaube fest daran. (lacht).


Mr. Scott, Sie sind bekannt dafür, dass Sie stets traurige Lieder gesungen haben. Eine Textzeile von Ihnen, die ich erinnere, lautet etwa: »I am laughing on the outside / While I am crying in the inside«.


Das ist richtig! Niemand weiß, wohin die Reise geht. Es ist nur ein Versuch, das eigene Schicksal zu verstehen. Ich sage nicht, dass wir verstehen, ich sage nur, dass wir versuchen zu verstehen. Mein erstes Lieblingslied war »Somewhere Over the Rainbow« von Judy Garland, als ich noch ein Kind war – das ist auch ein sehr trauriges Lied. Und dennoch ist dies die schönste Erinnerung, die ich habe und daher auch nie vergessen werde. Ich war geradezu verliebt in sie, weil sie dieses Lied gesungen hat. Sie war ja auch noch ein Kind damals, sie war sogar ein bisschen jünger als ich. Aber da war etwas an ihr, das sie unterschieden hatte von all den anderen kleinen Mädchen, die bloß Karriere machen wollten, um Diamanten zu tragen. Sie hatte damals ernsthafte Ambitionen zu singen und zu schauspielern. Es war so eine Freude, dieser jungen Dame zuzuschauen.


Sind Sie Judy Garland jemals persönlich begegnet?


Nein, bin ich nicht. Über all die Jahre bin ich Judy Garland leider nicht vorgestellt worden. Ich habe aber Liza getroffen, ihre Tochter. Ihre Mutter habe ich all die Jahre verehrt als hart arbeitendes Mädchen. Sie hat ein hartes Leben gehabt, und sie hat damit umgehen müssen und damit leben lernen müssen. Ich frage Sie: Wieviel kann ein Mensch erdulden, bevor er zerbricht?


Billie Holiday, auch eine hart arbeitende Frau, hat Sie mehr als einmal als den größten Jazz-Sänger aller Zeiten bezeichnet.


Das war wirklich ein außerordentlich nettes Kompliment von Billie. Wissen Sie, genau wie Judy Garland konnten wir Billie Holiday damals nur im Radio hören. Es gab noch kein Fernsehen wie heutzutage, das die Musik ausbeutete. Es gab nur das Radio. Wir hatten auch nicht das Geld, um uns einen Schallplattenspieler zu kaufen. Aber wenn wir Billie Holiday hörten, wenn wir Josephine Baker hörten, wenn wir, wie hieß er gleich: Paul Rubens hörten – dann im Radio. Verstehen Sie? Eines Tages hat mein Vater das Radio zum Pfandleihhaus gebracht, um für uns Kinder Bohnen auf den Tisch zu bekommen. Ich erinnere mich noch genau, wie ich von der Schule nach Hause kam und zu meiner Mutter sagte: „Mum, ich bin heute am Pfandleihhaus vorbeigegangen, und sie haben genau das gleiche Radio im Schaufenster, wie wir eins haben.“ Ich erinnere mich deshalb so gut, weil es unser Radio war.Und was hat Ihre Mutter geantwortet?Auch das erinnere ich noch genau. Sie sagte: „Junge, dafür haben wir Bohnen auf dem Tisch.“ (lacht).


Damals haben Sie wahrscheinlich nicht so gelacht, wie Sie heute lachen.


Wütend war ich, maßlos wütend. Denn Radio war gleichbedeutend mit Musik, und Musik war für mich gleichbedeutend mit Leben. Mit dem Radio war mir die Musik aus meinem Leben gerissen worden. Sind Sie eigentlich neidisch auf die heutige Jugend, dass es denen heute materiell viel besser geht als Ihnen damals? Ich bin mir sicher, dass ein heute zehnjähriges Kind nicht verstehen könnte, warum ich meinem Radio damals so nachweinte. Heute ist alles anders als früher. Die Kinder von heute besitzen Dinge, und das mit einer Selbstverständlichkeit, die wir nie gehabt haben. Ich würde aber nie tauschen wollen. Mir ist dieser Materialismus sehr suspekt.


Sie haben ein entbehrungsreiches Leben hinter sich.


Ist das vielleicht auch der Grund, warum Sie Judy Garland eben als „arbeitendes Mädchen“ bezeichneten und nicht als „berühmter Star“?Ganz genau richtig! Sie hat sich Ihre Karriere verdient. Sie hat auf so vieles verzichtet für das, was sie schließlich wurde. Ich bin James Cagney begegnet. Er war musikbegeistert. Und er war so ein großartiger Schauspieler! Oder nehmen Sie Humphrey Bogart: Auch ein großartiger Schauspieler. Was für eine Wandlungsfähigkeit! Männer wie Cagney oder Bogart haben sich genau wie Judy Garland oder Billie Holiday durchbeißen müssen. Damals reichte es nicht, bloß einen guten Namen zu haben.


Haben Sie Ihr Radio damals eigentlich zurückbekommen?


Nach einer gewissen Zeit hatte mein Vater wieder einen Job und damit auch ein paar Dollars beisammen und löste das Radio bei dem Pfandleihhaus wieder aus. In der Zwischenzeit bin ich immer zu unseren Nachbarn gegangen, die eins hatten.


Wurde im Radio damals rund um die Uhr Jazz gespielt?


Nein, aber es gab bestimmte Zeiten. Meistens haben sie Jazz früh am Morgen gespielt und am Abend, wenn die Leute von der Arbeit nach Hause kamen. Ich bin sehr oft früher aufgestanden, um morgens noch vor der Schule Radio hören zu können.


Wenn man Sie so reden hört, dann beschreiben Sie Ihre Kindheit geradezu paradiesisch in ihrer Entbehrung und Einfachheit. Es waren aber doch harte Zeiten, oder?


Ja, das waren harte Zeiten, aber es gab auch schöne Momente, an die ich mich gerne erinnere. Wissen Sie, es gab zum Beispiel keine Geschenke unter dem Weihnachtsbaum, ganz einfach, weil wir kein Geld hatten. Einen Weihnachtsbaum im Haus zu haben: Das war Weihnachten. Das war die Freude, das Besondere. Heute ist das alles ja ganz anders. Aber ich sage Ihnen, das sind Momente, an die man sich gerne erinnert, weil sie schön waren. Erinnerungen sind das einzige, was Ihnen zum Schluss bleibt. Deshalb sind die Dinge, die Sie erinnern auch die wertvollen Dinge in Ihrem Leben. Und interessanterweise erinnert man sich nur sehr selten an irgendwelche teuren Spielsachen. Man erinnert sich an Umarmungen, an Momente des Glücks. Und die haben selten etwas mit Geld zu tun.


Haben Ihre Eltern damals eigentlich Ihr Talent erkannt, Sie gefördert?


Ich glaube, meine Mutter ahnte etwas davon, aber wir haben das nie aufgeplustert. Hinzukommt, dass sie starb, als ich dreizehn Jahre alt war. Kurz: Zu singen, das war immer mein Interesse, mein eigenes Interesse, und davon hat mich auch nie einer abbringen können.


Wer Sie nicht kennt, könnte meinen, eine Frau singen zu hören.


Die Sache mit der Stimme … Ich habe als Jugendlicher unter einer seltene Krankheit gelitten, dem sogenannten Kallmann-Syndrom. Das ist eine Art hormoneller Defekt, der mich nie hat meine Pubertät durchleben lassen. Meine Stimme ist dabei so hoch geblieben. Aber ich habe mich an meine Stimme gewöhnt. Es ist meine Stimme.


Dann gab es eine Zeit, in der man nichts mehr von Ihnen hörte. Bis Sie 1991 anlässlich der Beerdigung von Doc Pomus zum ersten Mal nach Jahren wieder vor einem Publikum auftraten – und man wieder auf Sie aufmerksam wurde. Seitdem nehmen Sie wieder Platten auf und erleben so etwas wie einen zweiten Frühling.


Doc war ein alter Freund von mir. Wir haben uns 1945 nach einem Konzert von ihm in New York kennengelernt. Mein Gott, was war er für ein großer Blues-Sänger! Er trug Krücken aus Stahl, die das grelle Licht reflektierten, das die Scheinwerfer warfen. Das ist ein tolles Bild, das ich nie vergessen werde. Seine Behinderung machte es ihm leider unmöglich, international oder auch nur in Amerika Karriere zu machen. Er konnte nicht reisen, war an seinen Rollstuhl gebunden. Aber seine Kunst war und ist einzigartig.


Vielleicht war das posthum sein Freundschaftsdienst an Sie, dass Sie ausgerechnet durch seinen Tod einem Gönner begegnen sollten, der Ihnen einen neuen Schallplattenvertrag vermittelte …


Das ist richtig. Wissen Sie, Doc saß immer in seinem Rollstuhl und bat mich, ihm seine Lieblingslieder vorzusingen. Er sagte immer: „Jimmy, sing this song for me.“ Und ich antwortete: „Oookay Doc, I do so.“ Auf seinem Begräbnis sang ich seinen Song »Someone to Watch Over Me« für ihn, den er immer sehr gemocht hatte. Seine Tochter war zu mir gekommen und hatte mir mitgeteilt, dass er sich zu seinem Begräbnis diesen Song wünschte. Er hatte, das wurde mir damit klar, sein Begräbnis noch zu Lebzeiten geplant … Er hat die ganze Show geplant, so, wie er es gerne erlebt hätte, wenn er lebend dabeigewesen wäre. Das war wirklich nett von ihm. Es gibt einen Song von Doc Pomus, den ich nie vergessen werde: »Save the Last Dance for Me«. Das war einer seiner großen Hits. Er hat viele Songs geschrieben, die andere Leute gesungen haben. Doc hätte sich, glaube ich, gerne noch viel mehr ausgebeutet, um noch mehr Songs schreiben zu können, denn er war ja so talentiert. Aber sein körperlicher Zustand hat es ihm nicht erlaubt, der arme Kerl.


Was hat Ihnen eigentlich die Stärke gegeben, immer weiterzumachen, immer an sich zu glauben, auch wenn es nicht gut aussah?


Meine Mutter hat immer gesagt: „You might give out – but don’t give up.“ Man gibt nicht auf, man geht weiter. Wenn man diesen Satz verinnerlicht, dann gibt er einem innere Stärke. Ich bin fest davon überzeugt, dass man immer auch die Belohnung für die Mühen erhält, die man auf sich genommen hat. Man mag überrascht sein, wie die Belohnung ausfällt, aber man bekommt sie. Ich habe viele Freunde. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich könnte mich auch auf den Standpunkt stellen, dass meine Karriere finanziell gesehen nicht so erfolgreich war. Aber ich habe viele Freunde, und ich hatte Erfolg in vielen kleinen Dingen. Ich bin Menschen begegnet, die mir viel Freude bereitet haben. Mitzubekommen, wie sie fühlen, diese Gefühle zu teilen – das ist für mich bereits eine Form der Belohnung. Einer der schönsten Aspekte ist, dass man von anderen Menschen lernen kann. Es gab ja mal eine Zeit, da war ich noch ein Junge in dem Geschäft. Ich habe von den Leuten gelernt, denen ich begegnet bin. Ich habe viele Dinge gelernt. Dinge, die mich geformt haben, die mich gefestigt haben.


Was hat Ihnen Billie Holiday beigebracht?


Oh yeah! Das war ein Mädchen! Sie hatte ein sehr trauriges Leben. Ich habe sie sehr nahe kennengelernt, weil ihr Mann mit meiner damaligen Frau verwandt war. Genau gesagt, war er ein Cousin der Mutter meiner Frau. Als Billie starb, fragte er meine Frau und mich, ob wir nicht zu ihrer Beerdigung kommen würden, was wir natürlich taten. Sie hatte so ein hartes Leben. Sie hat mir mit ihrem Leben beigebracht, dass es keinen Grund auf Erden gibt sich zu beklagen. Sie war so stark – und sie war doch so schwach, was die Drogen betraf. Aber es ist gleichzeitig so, dass ein Künstler nie seine Schwäche verlieren darf, denn sonst verliert er seine Unschuld. Bessie Smith hatte es einfacher. Auch sie hatte ein hartes Leben, aber sie bekam es mit den Drogen in den Griff. Billie hatte es so viel schwerer. Sie hat so sehr gelitten.